Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)
davon.
»Was hast du immer mit dem roten Vieh? Das ist doch verfloht und verlaust!«, hörte er die laute unfreundliche Stimme rufen. »Dies ist eine Bäckerei! Könntest du bitte auf Hygiene achten?«
Hygiene? War das so was wie das stinkende Spray, mit dem Madame im Sommer die Himbeersahnetörtchen einnebelte, woraufhin alle Fliegen, die sie gierig umkreist hatten, tot herabfielen?
Filou atmete tief durch. Zugegeben, nicht jeder liebte es, wenn er morgens zu Besuch kam. Doch es gab viele Plätze, wo die Menschen ihn freudig willkommen hießen. Nur er selbst fand nicht alle Menschen und Plätze gleich angenehm. Vor Brunos Bar etwa hielt man sich als empfindsames Wesen besser nicht lange auf. Filou beschleunigte sein Tempo. Vom Laternenmast her roch es nach den Körperflüssigkeiten von Männern, die Pastis, Weißbrot und kräftig mit Knoblauch gewürzte Speisen schätzen. Im Rinnstein krümelte die Hinterlassenschaft von Yapper vor sich hin, dem hässlichen Dackel der Zwillinge, der immer mit einem Püppchen aus rosa Strick im Maul durch die Gegend lief. Und aus der offenen Tür von Brunos Bar quoll der Gestank von Zigaretten und Rotwein. Filou wechselte vom Trab in den Galopp, fetzte an einem nach Maschinenöl riechenden alten Damenfahrrad vorbei und bog in die Rue des Fleurs ein.
Hier war die Pforte zum Paradies: links der Metzger, rechts der kleine Supermarkt und dazwischen das Maison de la Presse und das Café. Und dort, direkt vorm Café, ging jeden Tag die Sonne auf. Sie hieß Isabelle.
Nun, die wirkliche Sonne war noch damit beschäftigt, den Himmel sanft zu röten, bevor sie sich über den Roche du Diable wälzte, den Felsen, der über Beaulieu thronte. Aber für Filou war Isabo die aufgehende Sonne, das Mädchen, das jeden Morgen, bevor die Gäste kamen, die Tische und Stühle vorm Café putzte. Als sie ihn sah, ging sie in die Hocke.
»Filoufiloufiloufilou!«
Filou stellte den Schweif auf und zeichnete mit der Schwanzspitze eine Arabeske in die warme Luft. Dann lief er auf sie zu. Sein Engel mit den dunklen Zöpfen lachte ihm entgegen, hob ihn hoch, vergrub die Nase in seinem Fell und flüsterte Kosenamen. »Du Schöner! Du braver Kerl! Du mein Liebster!« Filou brummte vor Vergnügen, als sie ihn auf den Rücken drehte und seinen Bauch kraulte. Das kitzelte! Aber es war wunderbar.
Endlich setzte sie ihn ab. Er schüttelte sich, brachte seinen glänzenden rostroten Pelz mit ein paar kräftigen Zungenstrichen wieder in Form und trabte davon. Jetzt fühlte er sich erfrischt und entspannt, bereit für den Höhepunkt seiner morgendlichen Patrouille. Aufrecht und kühn ging er ihm entgegen.
Seine Truppen waren bereits aufmarschiert. In Reih und Glied standen sie vor dem Metzgerladen, Minou und Mimi und die anderen. Filou stellte den Schweif wie eine Standarte auf und bauschte ihn, sodass er fast so breit war wie er selbst. Nur an der Spitze drehte er ihn leicht ein, ein Zeichen der Bescheidenheit.
Denn er hatte ja ganz zweifellos den schönsten, den größten, den prächtigsten Schwanz von ganz Beaulieu.
Er sah mit Genugtuung, dass sie ihm alle fast demütig den Vorrang ließen. Mit Würde nahm er seine Position vor der Tür ein und leckte sich das Maul. Gleich würde sie sich öffnen. Gleich würde Monsieur Boudin heraustreten, die Delegation begrüßen und ihnen allen seinen Segen erteilen.
Filou hörte ein tiefes Knurren. Er drehte sich ein wenig zur Seite und suchte unauffällig nach dem Missetäter. Garibaldi, einer der vier großen schwarzen Kater, der in einem legendären Kampf mit einem Wiesel ein Auge eingebüßt hatte, duckte sich, legte die Ohren an und zeigte die Zähne. Das imponiert mir gar nicht, dachte Filou und plusterte sich auf, um noch ein wenig größer zu wirken. Doch dann begann ein zweiter Kater zu knurren und mit dem Schwanz zu peitschen. Filou spürte Bewegung um sich herum, fühlte die Unruhe wachsen. Da hieß es, Autorität zeigen.
Er stellte sich auf, mit dem Hinterteil zur Tür der Metzgerei, Schweif und Fell auf Maximum gesträubt. »Hat hier jemand was zu sagen?«, begann er. »Wenn nicht, dann …«
Hinter ihm öffnete sich die Tür. Alle Katzen sprangen auf und rückten näher. Und in diesem Moment passierte das Malheur – er wusste selbst nicht, wie es dazu kam, es war, als ob ihm sein gesträubter Schwanz den Befehl dazu gegeben hätte: Ihm entwich ein feiner Nebel von Körperflüssigkeit, den sein Schweif fächelnd verteilte. Und zwar auf die Hosenbeine des
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