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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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sich die Diebstähle gerade bei mir, Anna? Will mir jemand an den Kragen?«
    Er schien keine Antwort zu erwarten. »Vielleicht Farina? Weil ich ihn wegen des Tods von Feminis’ Tochter schräg angeschaut habe? Ja, ich gebe zu, die Gefühle gehen manchmal mit mir durch …«
    Genau aus diesem Grund mochte Anna den alten Herrn, aber sie würde sich hüten, etwas zu sagen.
    Â»Vielleicht hat er auch erfahren, was ich Merckenich gesagt habe, aber ruiniert man deswegen einen Landsmann?«
    Â»Habt Ihr bemerkt, dass Noithuven Euch gestern nicht mit ›Herr‹ angesprochen hat wie sonst, sondern mit ›Signore‹? Aber nicht in der Art, wie es Eure Landsleute tun, höflich und mit Respekt, sondern irgendwie verächtlich. Es kam mir vor, dass er es absichtlich getan hat. Mit Fleiß.«
    Â»Es ist mir nicht aufgefallen. Aber jetzt, wo du es sagst … Ja, kann sein.«
    Eine Windbö stieß das halb geöffnete Fenster auf und fuhr durch die Papiere. Er hielt sie mit einer Hand fest und suchte mit der anderen nach der Glaskugel, um sie damit zu beschweren. Als er weiterredete, sprach er mehr zu sich selbst.
    Â»Seit über vierzig Jahren wohne ich in Köln, bin Bürger dieser Stadt, zum Schrein qualifiziert, habe, wie es sich gehört, als junger Mann meinen Wachtdienst geleistet, spreche Deutsch besser als unser Hochitalienisch, und dann kommt einer und will mich in die Ecke der Fremdlinge abschieben? Cu vaia a cà du diaul! Zum Teufel mit ihm! Ich lass mich nicht unterkriegen.«
    Â»Vielleicht habe ich mich auch getäuscht«, lenkte Anna ein. Es tat ihr weh, Herrn Dalmonte so bedrückt zu sehen. »Es gibt immer welche, die herummäkeln und glauben, Schwierigkeiten machen zu müssen. Die meisten Kunden haben Euch doch ihr Vertrauen ausgesprochen.« Aber sie spürte, dass ihre Stimme nur wenig überzeugend klang, und Dalmonte ging auch nicht darauf ein.
    Â»Diedrich von Merzen bittet darum, dich an einem der nächsten Tage ausführen zu dürfen«, sagte er unvermittelt und klopfte auf ein Schreiben, das ebenfalls mit der Morgenpost gekommen war. Er hob den Kopf und hielt ihr den Bogen hin.
    Â»Möchtest du?«
    Sie antwortete nicht sofort. Wenn sie ehrlich war, konnte sie sich an sein Gesicht schon nicht mehr erinnern. Wässrige Augen hatte er gehabt. Nimm dich in Acht vor gut aussehenden Männern! Schön war er nicht gewesen. Aber so manierlich.
    Â»Er sagt, er schätze deine Klugheit«, fuhr Dalmonte fort und suchte die entsprechende Briefstelle.
    Â»â€ºâ€¦Â habe ich es nicht lassen können, meiner Feder zu folgen und zu schreiben, was mir in den Sinn kommt.‹ Hm! ›… wäre mir eine außerordentliche Ehre, alsobalden …‹ Und so weiter, und so weiter! Du sagst nichts, was meinst du?«
    Â»Ich weiß nicht, ob das gerade der richtige Zeitpunkt für Vergnügungen ist.«
    Â»Wenn du danach gehen willst, Anna – den richtigen Zeitpunkt gibt es nicht. Man muss ihn machen. Wie alt bist du inzwischen?«
    Â»Zweiundzwanzig«, antwortete sie unangenehm berührt. Das Gespräch nahm eine Wendung, die ihr nicht gefiel.
    Â»Zweiundzwanzig? Da darfst du allemal die Artigkeit eines Mannes annehmen. Ich glaube, ich spreche für deinen Vater, wenn ich sage, es wird sogar höchste Zeit. Im Übrigen sind Spediteure freundliche Menschen, schau mich an!« Dalmonte lachte. Für einen Augenblick schien er seine Sorgen vergessen zu haben.
    Â»Du bist nun mal eine junge Frau, noch dazu eine recht hübsche. Und auch wenn du zwischen lauter grobschlächtigen Mannsleuten groß geworden bist und dein Vater aus dir am liebsten einen jungen Burschen gemacht hätte, würde er es sicher gern sehen, wenn er irgendwann einen Enkel auf den Armen halten dürfte.«
    Aber plötzlich schien er sich zu besinnen. »Ach nein, lieber nicht«, sagte er. »Niemand schreibt schöner Französisch als du. Wie sollte ich ohne dich zurechtkommen? Se Carlo Battista fosse ancora qui … «
    Er unterbrach sich, Anna tat, als ob sie nichts verstanden hätte. Seine Stimme war rau, als er sie noch einmal fragte: »Also, kann ich ihm nun schreiben, dass du seine Einladung annimmst? Und noch etwas …«, setzte er im gleichen Atemzug nach. »Würdest du bitte gleich die Essensausgabe an der Armenbank übernehmen? Statt der Signora? Sie ist

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