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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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heute verhindert.«
    Anna nickte. Eigentlich hatte sie Dalmonte von Farinas Aqua mirabilis erzählen wollen, das sie schon seit Montagabend unter ihren Röcken mit sich herumtrug. Sie würde eine andere, passendere Gelegenheit abwarten müssen.
    Später, während der paar Schritte nach Sankt Maria Lyskirchen, fragte sie sich, ob Herr Dalmonte ihr Nicken auch auf die Einladung des Herrn von Merzen bezogen hatte. Sie war sich nicht sicher, ob sie den Mann wiedersehen wollte. Im Geiste ging sie den Brief noch einmal durch. Ein wenig geschraubt war er, aber von Merzen war nun einmal älter als sie. Vielleicht schrieb man früher so. Und irgendwie klang es auch schön. »… eine außerordentliche Ehre …!« Das hatte noch nie jemand zu ihr gesagt.
    Maria Elisabeth Pützmann, die Frau von Paul Merckenich, stand schon unter der Kirchentür. Kaum, dass sie sie sah, nahm sie Anna sofort in Beschlag, drückte ihr die Schöpfkelle in die Hand und den großen Brotkorb, während sie im selben Atemzug zwei Hausarmen befahl, die Töpfe zu holen.
    Â»Es geht ja nicht an, dass wir sie bedienen wie Ratsherren, der eine zu Hause reicht mir.«
    Anna hörte schon lange nicht mehr hin, wenn die Pützmanns herummäkelte. Merckenich tat ihr leid. Die Frau war ständig am Kritikastern. Niemand, außer ihr natürlich, mache die Dinge richtig. Jeder außer ihr sei faul, selbstsüchtig, oberflächlich und gedankenlos. Die Nachbarin rechts putze die Straße nicht richtig, die Nachbarin links mache aus ihrem Hinterhof einen Saustall. Als Anna ihn das erste Mal gesehen hatte, den Hof, war sie auf alles gefasst gewesen – nur nicht auf das: Eine wilde Blumenpracht, über der der Duft eines warmen Spätsommertags lag, ein Apfelbäumchen voll kleiner roter Früchte, kunterbunt angelegte Kräuter- und Gemüsebeete. Aber die Pützmanns schimpfte, das sei doch kein Anblick. Überall wuchere es, die Pflanzen schössen ins Kraut, ohne jede Ordnung, einfach liederlich. Und dann der unsägliche Lindenbaum, im Frühjahr segelten seine Samen zu Abertausenden herüber in ihren Hof und im Herbst die Blätter, und wer musste das dann wieder alles wegmachen? Sie natürlich. Die Nachbarin schere sich einen Dreck darum.
    Nach Annas Meinung gab es viel zu viele Maria Pützmanns in Köln. Warum die Frau sich jeden Freitagnachmittag hinstelle und die Armensuppe austeile, hatte sie Frau Gertrude gefragt. Wenn sie doch ständig jammere, dass ihr die Hausarmen zuwider seien und sie deren Anblick kaum ertrage?
    Frau Gertrude hatte nur gelacht. »Der Haussegen im Katharinengraben würde schiefhängen, wenn sie sich weigerte. Merckenich ist nun mal Mitglied der Bruderschaft, da gehört es sich einfach, dass die Eheliebste ihm zur Seite steht, ob sie’s nun will oder nicht.«
    Auch jetzt sparte die Pützmanns nicht mit bissigen Kommentaren.
    Â»Guck sie dir an, die Rainers. Holt sich hier Fleisch und Brot, und dabei hat sie einen Galan, ene riche Kääl us der Minoritestroß . Das weiß doch jeder. Und zu Hause liegt ihr Mann im Sterben! Und Clemens Wittlich ist mitnichten so arm, wie er tut, sein Bettlerplatz vor Aposteln soll eine wahre Goldgrube sein.«
    Sie zog die Spucke durch die Zähne und klatschte dem nächsten Bittsteller einen Schlag Erbsensuppe auf den Teller. Anna hatte ihre Ohren auf Durchzug gestellt.
    Nachdem Pfarrer Forsbachs Köchin sich erkundigt hatte, ob es für alle reiche, wartete Maria Pützmann nicht mehr lange, sondern verabschiedete sich.
    Â»Du weißt ja, Anna, meine Beine. Eigentlich dürfte ich mir eine solche Belastung gar nicht mehr antun. Aber was tut man nicht alles für diese elenden Kreaturen!? Sonst kümmert sich ja keiner.«
    Anna atmete erleichtert auf. Noch fünf Hausarme. Sie schaute nach Tilman aus. Er sollte ihr helfen, die Gerätschaften ins Pfarrhaus zurückzubringen und die Bank an ihren Platz in die Abstellkammer. Sie musste ihm auch sagen, dass er nächste Woche in den Filzengraben kommen solle. Das Frühjahr stand vor der Tür und damit das alljährliche große Saubermachen. Keller, Speicher, Hof, Abfallgrube, Kloake. Seit jeher verdiente sich Tilman ein paar Heller damit, dass er Bonifaz dabei zur Hand ging.
    Â»Du bist ein bisschen weiß um die Nase herum. Hast du nicht gut geschlafen?«
    Anna zuckte zusammen, als Tilman unvermutet aus dem

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