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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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Ehrenstraße ließ er den Wagen halten, reichte ihr die Hand zum Absteigen und regelte mit dem Kutscher, wo er auf die kleine Gesellschaft warten sollte. Dann wandte er sich an Johanna. Anna schien es, als ob die beiden sich ohne Worte verstünden. Von Merzen drückte der Köchin etwas in die Hand, sie lächelte verständnisvoll, formte die Hand zu einer Faust, damit nicht verloren ginge, was darin lag, und nickte.
    Â»Ich bin gleich wieder zurück«, raunte sie Anna zu. Es sollte beruhigend klingen.
    Ganz richtig war das nicht, befand Anna. Wenigstens beim ersten Mal hätte sie bei ihr bleiben können. Dann warf sie ihren Kopf zurück. Sie war die Tochter ihres Vaters und würde selbst auf sich aufpassen.
    Â»Man hat mir gesagt, Ihr sprecht mehrere Sprachen«, begann von Merzen, nachdem der Wirt persönlich ihnen ein Tablett mit einer Kanne heißer Schokolade gebracht und sich nach dem Befinden des Gastes erkundigt hatte.
    Â»Es hat sich so ergeben«, antwortete Anna.
    Â»Ich habe leider nicht das Glück gehabt, lange zur Schule zu gehen. Nach dem Tod meines Vaters musste ich mich schon früh aufs Geldverdienen besinnen.«
    Â»Es hat nichts Ehrenrühriges, wenn man nur eine Sprache spricht.«
    Â»Dennoch bewundere ich Euch, nicht jeder hat diese Fertigkeiten, selbst wenn er die Chance hätte. Ich danke Euch, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid.«
    Anna nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. Müsste sie etwas darauf erwidern? Bitte schön, gern geschehen? Das klang albern. Ich freue mich ebenfalls? Dazu kannte sie ihn zu kurz. Die zuckersüße Schokolade rann ihr durch den ganzen Körper. Im Bauch kribbelte es aufregend.
    Â»Erzählt mir von Euch!«, bat von Merzen, und sie fühlte sich geschmeichelt. Von Matthias und Severin kannte sie es nicht anders, als dass Männer am liebsten von sich selbst redeten und die Frauen schwiegen – auch wenn die beiden Burschen in dem Haus im Filzengraben deswegen gehörig verspottet wurden. Vor allem von der Köchin. Als Anna über ihren Vater zu sprechen begann, den sie noch vor Ostern mit neuer Ware im Hafen erwarteten, hörte er ihr aufmerksam zu.
    Eine junge Bedienung hatte bereits ein zweites Kännchen Schokolade gebracht, und sie unterhielten sich noch immer. Über die Schifffahrt auf dem Rhein, wie sie sie von ihrer Kindheit her kannte, über den Frachtverkehr aus Übersee, die oberrheinische Holzflößerei, die Transportbestimmungen für Hering, Stockfisch, Lachs und Scholle. Sie kamen von einem Thema zum anderen, Anna war in ihrem Element. Je länger sie redete, desto mehr wurde ihr bewusst, wie viel Spaß ihr die Arbeit bei Dalmonte machte, und von Merzen sparte nicht mit anerkennenden Worten.
    Â»An Euch ist ein Kaufmann verloren gegangen«, stellte er voller Bewunderung fest.
    Â»Ach, ich habe es ja von klein auf mitbekommen«, wehrte sie ab und freute sich doch über sein Lob. Obwohl sie sich schon wunderte, dass er mit ihr über all diese Dinge sprach.
    Das Kaffeehaus war gut besucht. Der ganze Raum brummte und summte, aber nur selten drangen einzelne Wörter oder gar ganze Sätze an Annas Ohr. Sie achtete auch nicht darauf. Blaugrauer Pfeifendunst schwebte über den Köpfen der Besucher. Hin und wieder, wenn die Tür aufging, flimmerte die rauchgeschwängerte Luft im Licht der Nachmittagssonne. Anna gefiel die Stimmung. Sie war nicht die einzige Frau im Salon. An mehreren Tischen saßen Damen in vornehmer Robe, in Begleitung ihrer Ehemänner, eines Vetters, eines Galans, und beteiligten sich mehr oder weniger lebhaft an den Gesprächen der Herren. Man redete gesittet. Niemand grölte und krakeelte wie in den Kneipen, an denen Anna vorüberkam, wenn sie zum Hafen ging. Traten neue Gäste ein, begrüßte der Wirt sie persönlich und unterhielt sich mit ihnen, wenn es die Zeit erlaubte oder der Stand des Gastes es erforderlich machte. Junge Mädchen in langen weißen Schürzen, die Fichus sorgfältig über die Brust gesteckt und mit Hauben, die bis auf ein paar vorwitzige Strähnchen das ganze Haar bedeckten, bewegten sich fast unauffällig zwischen den Tischen, nahmen Bestellungen entgegen und kamen mit Tassen aus heller Fayence auf schwarzen Lacktabletts zurück. Schnell und geschickt arrangierten sie Zuckerdosen, Milchkännchen, Silberlöffel und Servietten. Das regelmäßige »Möge es

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