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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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Janne mitbringen, vielleicht kommt sie damit wieder auf die Beine«, sagte Anna.

VIERZEHN
    Es sollte ein Festtag werden, dieser Gründonnerstag. Die »Henrietta«, das Niederländerschiff von Pieter Meesters, Annas Vater, wurde für den frühen Abend erwartet. Seit zwei Tagen half sie bei den Vorbereitungen.
    Schon gestern waren Waffeln gebacken worden. Anna hatte süße Mandelschnittchen in der Pfanne gemacht und Berge von Stutenwecken mit Rosinen vorbereitet, die Maria zum Kuchenbäcker in der Mathiasstraße gebracht hatte. Wie ein Luchs war Moritz in der Küche herumgeschlichen, hatte vom süßen Teig und vom Honig genascht. Wenn er dachte, niemand bemerke es, mauste er getrocknete Aprikosen, Nüsse und Datteln und quengelte, bis Anna sich erweichen ließ und ihm eine warme Waffel, dick mit Zucker bestreut, in die Hand drückte.
    Â»Ausnahmsweise«, hatte sie gesagt und eine bitterböse Miene aufgesetzt. Als die Köchin den Jungen kurzerhand mit der Magd zum Markt schickte, um Butter, Apfelkraut, Blutwürste und Parmakäse zu kaufen, beeilte sich Anna, die ganzen süßen Leckereien in ihrer Dachstube zu verstecken.
    Jetzt erhitzte sie Fett in der Pfanne und legte vorsichtig die Rinderkeule hinein. Dennoch spritzte es nach allen Seiten. Das Fleisch war mit Speckscheiben und getrockneten Pflaumen gespickt und hatte zwei Tage lang in gewürztem Rotwein gelegen. Es sollte der beste Braten werden, den ihr Vater je gegessen hatte. Seit Monaten hatte sie ihn nicht mehr gesehen, aber nun würde er über die ganzen Ostertage bleiben. Da mussten Küche und Keller gefüllt sein!
    Als sie gehört hatte, wie Frau Gertrude mit der Köchin die Speisenfolge für den Donnerstagabend und das lange Wochenende durchging, hatte sie fast ein schlechtes Gewissen bekommen – es war Fastenzeit. Aber die Köchin hatte sie belehrt: »Du sollst Vater und Mutter ehren, sagt das vierte Gebot. Und du hast nur noch einen Vater, also sollst du ihn doppelt ehren.« Dabei hatte sie energisch Salz unter eine Unmenge fein geschnittenen Rotkohl geknetet. Für sie gab es nichts Schöneres als Festtage, und sah der Kalender keine vor, dann machte man sie sich eben.
    Johannas Gedankengang war bestechend, man musste ihn ja nicht unbedingt mit Pfarrer Forsbach diskutieren, fand Anna. Außerdem, hatte Frau Gertrude gesagt, seien sie ja in der letzten Woche besonders bescheiden gewesen und hätten kaum etwas anderes als Brotsuppe gegessen. Nur hin und wieder ein Hühnerschenkelchen.
    Vom Kontor war das laute Kreischen des Papageis zu hören, das bald in friedliches Geplapper überging. Aus dem Gästezimmer drangen die Stimmen der beiden Mägde, die das Bett richteten. Einmal stimmte eine ein Lied an, und die andere fiel ein. Aber sie sang so falsch, dass beide gleich darauf in schallendes Gelächter ausbrachen. Anna war glücklich. Die Vögel zwitscherten, der Himmel war blau wie Johannas Schürze, nur sauberer, der Winter war endgültig vorbei. Am Morgen hatte sie ein Briefchen von Janne erhalten, es gehe ihr besser, sie könne sogar schon wieder aufstehen, ohne dass es ihr schwindlig werde, und Merckenich hatte Hermines Sohn gegen einen Batzen Geld aus dem Turm geholt und ihm eine Arbeit auf dem Fischmarkt verschafft. Er und Dalmonte hatten ihn zuvor im Gefängnis aufgesucht, mit ihm gemeinsam eine Liste erstellt, wann er wem was gestohlen hatte, und ihn dazu verdonnert, den gesamten Schaden auf Stüber und Heller wiedergutzumachen. Angesichts der krätzigen, aussätzigen, stinkenden und rotzenden Brüder um ihn herum, hatte der Junge alles versprochen. Und hoch und heilig Besserung gelobt. Sie glaubten ihm.
    Vor allem aber hatte es in der Spedition seit einer Woche keinen Diebstahl mehr gegeben. Sie konnten aufatmen. Anna drehte das Fleisch ein letztes Mal um und schloss den Deckel. Bis das Feuer heruntergebrannt war, würde das Fleisch durch sein.
    Â»Mach voran, Moritz! Wir müssen los«, rief sie dem Jungen zu, der zwei Körbe mit Würsten, Brot und Bier richten sollte, aber herumtrödelte und lieber mit der Katze spielte, die der Essensduft angelockt hatte.
    Im Hof wusch sich Anna rasch Hände und Gesicht überm Brunnen und nahm dann zwei Stufen auf einmal nach oben zu ihrem Zimmer. Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, riss sie sich die Küchenschürze vom Leib, klopfte das Kleid aus, legte die feine

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