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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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in einer Ecke saß und Brot und Schinken in sich hineinschlang. In Annas Gesicht kam wieder Farbe.
    Â»Bist du bei Farina vorbeigegangen und hast dir den Ladendiener angesehen? Ist er der Lange?«
    Tilman kaute bedächtig, dann griff er zum Bierkrug, trank und schluckte alles hinunter.
    Â»Ich glaube nicht, dass der es ist.«
    Â»Aber du bist dir nicht sicher?«
    Tilman säbelte sich wieder eine dicke Scheibe Schinken ab, die anderen warteten gespannt. Kall wollte gerade ungeduldig den Mund aufmachen, als Tilman antwortete: »Der Lange von damals ist der Lange von heute Nacht. Aber es ist nicht der Ladendiener.«
    Dann schob er sich das letzte Stück Schinken in den Mund und stand auf.
    Â»So geht der Ladendiener«, sagte er und ging gemächlich in der Küche auf und ab. »Und so geht der andere.«
    Tilman konzentrierte sich, dann setzte er das linke Bein vor und schob gleichzeitig die linke Schulter nach hinten. Dabei drehte er den linken Arm in einem auffälligen Bogen nach hinten und schlenkerte ihn dann ruckartig wieder nach vorn. Zuerst lief Tilman langsam, man sah ihm die Anstrengung an, aber dann hatte er die ungewohnte Gangart im Griff, und er lief schneller. Zwei-, dreimal kreuzte er so durch die Küche, es war eine eigenartige schwankende, schlingernde Bewegung. Tilmans kurze krumme Beine taten das Ihrige, Severin begann zu lachen. Auch die anderen hatten Mühe, ernst zu bleiben. Beleidigt blieb Tilman stehen.
    Â»So ähnlich ging er«, knurrte er eingeschnappt.
    Der Bürgerhauptmann war der Einzige, der sich von der unerwarteten Heiterkeit nicht hatte anstecken lassen. Er machte sich ein paar Notizen, die Feder kratzte übers Papier.
    Â»Sein Gesicht hast du nicht gesehen«, fragte er.
    Â»Nein. Das Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber so ist er gelaufen.«
    Anna versuchte sich zu erinnern, wie der lange Dürre lief, der damals nach dem Gewitter hinter Herrn Dalmonte herging. Sie hätte es nicht sagen können.
    Sie redeten noch lange, stellten Mutmaßungen an, verwarfen sie wieder, dann rief Simon Kall seine Männer, die vor der Haustür gewartet hatten, und marschierte mit ihnen hinunter zum Rhein. Auch Matthias, Severin und Jan Jantje beteiligten sich an der Suche nach den gestohlenen Waren, während Willem zu Hause bleiben sollte. Er widersprach nicht. Resa versprach, sich um ihn zu kümmern. Sie warf ihm einen tiefen Blick zu, ihre Brüste guckten vorwitzig aus ihrem Hemd heraus.
    Â»Pfff …«, machte die Köchin und zupfte ihr Schultertuch zurecht. Wäre da nicht der unglückliche Moritz gewesen, der im Nebenzimmer aufgebahrt lag, Anna hätte sich über Johannas grantiges Gesicht amüsiert. Dann schloss sie sich ihrem Vater und Dalmonte an, die ebenfalls zum Kai gingen, um sich um die in der »Henrietta« verbliebenen Waren zu kümmern. Verderbliche Lebensmittel wie Fisch und Käse waren noch gestern Abend gleich nach Ankunft des Schiffes von den städtischen Trägern in die Warenhäuser gebracht worden, alles andere sollte in den nächsten Tagen gelöscht werden.
    Â»Sie haben rausgeholt, was gut zu tragen war«, stellte Meesters fest. »Die Tabakballen waren ihnen zu schwer, aber vom Wein fehlen ein paar Flaschen. Wahrscheinlich haben sie sich damit eine schöne Nacht gemacht.«
    Er guckte sich weiter prüfend um.
    Â»Eine Kiste Tee und ein kleines Fass mit Zuckerhüten haben sie mitgehen lassen. Was machen sie damit?«
    Â»Ein Kaffeesack ist geöffnet worden und hier ein Fass mit Bienenwachs. Wie viel war da drin?«, fragte Dalmonte.
    Â»Das muss in den Lieferpapieren stehen. Genau weiß ich es nicht. Es sieht aber nicht so aus, dass etwas fehlt.«
    Â»Wo sind die englischen Handschuhe für Guacci in Bonn? Er wird mir den Kopf abreißen, wenn sie weg sind. Noch vorgestern habe ich ein Schreiben von ihm bekommen, der Kurfürst würde langsam ungeduldig werden.« Der Spediteur durchsuchte die Kisten und Kästen, dann hielt er triumphierend ein Päckchen in die Höhe.
    Â»Hier sind sie«, rief er erleichtert.
    Vom Ufer her hörten sie Simon Kall rufen. Unter einem Haufen Fischernetze hatten sie die Teekiste gefunden, Wein und Zucker blieben verschwunden. Außerdem fehlten kleinere Pakete mit Tinte, mehrere Packen Schreibfedern und englische Seife. Danach waren die Diebe dann wahrscheinlich beim Forttragen der Beute gestört worden. Sie

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