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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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nach silbernen Knöpfen, glitzernden Schuhschnallen und samtenen Armbändern, und die Hausierer und Marktbudenverkäufer bedienten sie. So war es.
    Und dabei war sein Aqua mirabilis noch nicht einmal billiger Flittertand, sondern nützlich. Es rettete Leben, er hatte es am eigenen Leib erfahren. Aber was machten die eitlen Fabrikanten und die hochnäsigen Wunddoktoren? Sie verkauften ihre gesunden Wässerchen für so teuer Geld, dass nur Herzöge und Grafen, reiche Kaufleute und Ratsherren es sich leisten konnten. So weit oben war wahrscheinlich sogar die Luft vergoldet! Aber auch Maurer und Krämer, Dienstmägde und Bettelkinder litten an tausenderlei Gebrechen. Und wer half denen? Niemand. Kein Barbier, kein Medicus. Höchstens eine weise Frau, wenn sie gutmütig war und sich in Kräutern auskannte. Der Dottore, der Römer, hatte das begriffen. Nannte Giacomo den Leuten in den Dörfern seinen Preis, begannen ihre Gesichter zu leuchten. Manche kauften dann sogar gleich zwei Flaschen, weil er nicht zu sagen vermochte, wann er wiederkommen würde. Vor einer Woche, am Mittwoch nach dem Palmsonntag im Gartenhaus, hatte er das erste Mal mit dem heilenden Wasser auf einem Markt gestanden. Nicht in Köln, wie der Dottore ihm eingeschärft hatte, sondern in Rodenkirchen. Tags darauf hatte er in Sürth und Bayenthal die Häuser abgeklappert, dann in Niehl und Longerich, und heute war er nun erstmals im Rechtsrheinischen. Das Wetter war warm, die Leute frühlingstrunken, das Geschäft lief wie am Schnürchen. Von jeder verkauften Flasche, so hatte der Dottore bestimmt, bekam er den zwanzigsten Teil. Er hatte versucht, mehr herauszuhandeln, aber der Römer war unerbittlich geblieben. Das Einzige was er ihm zugestanden hatte, war, dass Giacomo auch weiterhin bei dem zwielichtigen Wirt in der Spielmannsgasse essen und in dem schäbigen Hühnerstall schlafen konnte, ohne dafür zu löhnen. Das Fährgeld nach Deutz oder Mülheim solle er mit den Einnahmen verrechnen. Es war wahrlich nicht die Welt, was er mit dem Verkauf des Aqua mirabilis verdiente, richtig zufrieden war er nicht. Aber am Tag vor Ostern hatte er siebzehn Flaschen verkaufen können, und noch nie hatten so viele Münzen in seinem Sacchetto geklimpert. Giacomo fürchtete nur eins: Dass der Dottore mit der Herstellung von neuem Wasser nicht schnell genug nachkäme. Dass seine Konsorten zu wenig Pomeranzen und Weingeist auftreiben könnten und die von Farina entwendeten Flaschen und Etiketten ausgingen. Dass die Zutaten zu diesem Geschäft auf krummen Wegen ins Gartenhaus gelangten, kümmerte ihn nicht. Das war Sache des Römers. Er, Giacomo, tat nichts anderes, als das Wasser Menschen zu verkaufen, die es gebrauchen konnten. Und zwar zu einem Preis, den auch Arme und Kranke, Wäscherinnen und Tagelöhner, Bauernfamilien und Pferdeknechte berappen konnten. Und käme ein Schornsteinfegerjunge daher, ein Rüsca, wie er einmal einer war, er würde ihm ein halbes Fläschchen schenken.
    Â»Was kostet jetzt also die Flasche?«
    Ein wenig ungeduldig wiederholte die junge Frau ihre Frage. Er hatte die Stimme schon einmal irgendwo gehört. Auch das Gesicht kam ihm bekannt vor. Sie war gut gekleidet, nicht übertrieben, aber geschmackvoll. Er hatte einen Blick dafür. Um den Hals trug sie ein schmales Samtband. Ihr Begleiter, ein untersetzter Mann mit schwammigem Gesicht, war wesentlich älter als sie. Falls es ihr Vater war, konnte sie von Glück reden, dass sie nichts von seiner Hässlichkeit abbekommen hatte.
    Â»Meine Freundin war sehr krank«, erklärte sie. »Farinas Aqua mirabilis hat sie wieder gesund gemacht. Aber nun ist ihr kleiner Sohn krank geworden, vielleicht hilft ihm das Heilwasser auch. Die Flasche sah genauso aus wie deine.« Es klang mehr nach einer Frage als nach einer Feststellung.
    Â»Das ist Farinas Aqua mirabilis«, behauptete er, ohne mit der Wimper zu zucken, und überlegte angestrengt, wo er das Mädchen gesehen haben könnte.
    Â»Ich dachte, er verschickt es direkt an seine Kunden. Ich wusste nicht, dass er damit auf Märkte geht.«
    Giacomo ärgerte sich über diese Bemerkung.
    Â»Warum soll er damit nicht auf Märkte gehen?«, erwiderte er gereizt.
    Â»Ja, warum eigentlich nicht.« Sie lenkte ein und suchte nach ihrem Geldbeutel. Der Mann neben ihr wollte ihr zuvorkommen, aber sie schüttelte energisch den

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