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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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ihn doch noch keine zwei Wochen! Er hätte sie wenigstens fragen können, ob ihr Farbe und Muster überhaupt zusagten, beschwerte sie sich am nächsten Tag bei Janne darüber. Doch diese hatte sie ausgezankt.
    Â»Du bist eigensinnig. Hast schon immer alles lieber allein gemacht. Was glaubst du, was ich jubeln würde, wenn mein Jupp mir nur ein einziges Mal was mitbringen würde.«
    Vorsichtig entkorkte Anna die schmale Bouteille. Sie hielt sie sich an die Nase und schloss die Augen. Vor Aufregung vergaß sie zu atmen. Dann aber sog sie ganz langsam die Blume des fremden Aqua mirabilis ein. Pomeranzenhauch kroch ihr in die Kehle. Sie mochte das. Noch einmal atmete sie tief. Da war ein Ton von Zitrone. Und noch etwas anderes. Etwas Kräftiges, Grünes. Sie stellte die Flasche auf den Tisch, weit weg vom Spiegelkasten, sie fürchtete, dass die Aromen sich mischen könnten. Dann holte sie das Stoffpäckchen mit der Glasscherbe aus der Schublade und roch daran. Der Duft hatte in den letzten Tagen nachgelassen, aber Anna glaubte dennoch, einen Unterschied wahrzunehmen. Abwechselnd hielt sie sich die Rosoli vor die Nase und dann das Scherbenpäckchen, witterte, schnupperte, schnüffelte, wieder und wieder. Das Stoffbündel roch weich, die Aromen der verschiedenen Zitrusöle schienen Anna fein aufeinander abgestimmt zu sein, allenfalls überwog der süßschwere Duft der Bergamotte. Dagegen war das Tonikum aus der Flasche des welschen Gänglers schwächer, auch herber. Und es hatte, als sie einen Tropfen kostete, diesen Beigeschmack, den sie nicht kannte. Feminis’ Aqua mirabilis und das, was der alte Farina ihr gegeben hatte, waren ihr gleich vorgekommen. Dieses hier war eindeutig anders.
    Doch der Unbekannte hatte behauptet, es sei ein Erzeugnis Farinas.
    Stellte Farina zwei verschiedene Produkte her, eines für das besser gestellte Publikum und eines fürs einfache Volk? Oder …
    Sie setzte sich aufs Bett und betupfte sich die Schläfen mit dem Wasser. Es kühlte angenehm.
    Oder hatte der Mann gelogen und verkaufte ein Aqua mirabilis, das keines war? Zumindest nicht das des Johann Maria Farina von Obenmarspforten?
    Bei den ersten Diebstählen, die Dalmontes Spedition getroffen hatten, waren Weingeist verschwunden, dann Flaschen mit Feminis’ Wunderwasser, später auch Säcke mit Pomeranzen. Was bei Farina und anderswo gestohlen worden war, wusste sie nicht, aber plötzlich glaubte Anna, eins und eins zusammenzählen zu können. Endlich waren sie einem der Diebe auf der Spur, vielleicht sogar dem Mörder von Moritz und Cettini.
    Aber ganz sicher war sie sich nicht. Sie versuchte sich vorzustellen, wie Tilman neulich in der Küche auf und ab gegangen war und die seltsame Gangart des langen Kerls nachahmte, der das Schiff ihres Vaters überfallen hatte. Tilman hatte das linke Bein vorgesetzt und dabei die Schulter nach hinten gedreht. Eine absonderliche Art zu gehen. Als sie den Welschen in Mülheim hatte fortgehen sehen, war ihr nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Aber er hatte auch diesen wuchtigen Bauchladenkasten umhängen, den er mit beiden Händen festhalten musste, sodass er dadurch vielleicht anders lief, als wenn er nichts trug.
    Und noch etwas verstand sie nicht. Wenn der Unbekannte Aqua mirabilis fälschte und die Zutaten dafür zusammenstahl, warum hatte er dann auch Stoffballen gestohlen und Salzsäcke, Federn, Tee, Wein und Seifen?
    Wein war ja noch begreiflich. Den konnte man zur Not selbst trinken. Aber die Säcke mit Salz und Kisten mit Seifenstücken? Wahrscheinlich, überlegte sie, teilten sich die Diebe die Beute. Der eine hatte es auf die Ingredienzien von Aqua mirabilis abgesehen und auf die Flaschen von Farina, um die Kunden damit zu prellen. Der andere verschacherte die restliche Beute unter Hehlern. Köln war eng und dunkel, überall ließen sich heimlich Geschäfte machen, in den schmalen Hafengassen, im Färberviertel zwischen Blaubach und Auf dem Büchel, in Winkeln an der Stadtmauer. Anna war überzeugt, dass es sogar in den Kirchen nicht immer gottgefällig zuging. Die Obrigkeit konnte schließlich nicht überall sein.
    Ob der zweite Mann, den Tilman gesehen haben wollte, der einzige Konsorte des Welschen war?
    Sie stand auf, verstöpselte die Rosoli vom Mülheimer Markt und griff nach dem Päckchen mit den Scherben. Es war schon spät, doch Herr Dalmonte ging

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