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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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vorsichtig sein müssen, wo er welchen Preis verlangte. Wenn die Leute merkten, dass er von dem einen mehr, vom anderen weniger forderte, könnte es Verdruss geben. In Gedanken machte er sich eine Liste. Es wäre nicht schlecht, schreiben zu können. Aber mehr als ein paar Zahlen kritzeln konnte er nicht. Er musste auch ein Versteck finden für sein Geld. Die Spielmannsgasse war ihm nicht sicher genug. Außerdem wollte er Tilman suchen. Der kannte doch Gott und die Welt und vielleicht auch die junge Frau in Dalmontes Haushalt. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr war er überzeugt, dass sie nicht einfach nur sein Wunderwasser kaufen wollte. Da war noch etwas anderes. Er konnte sich nicht vorstellen, was, aber er würde es gern wissen.
    Die fliegende Brücke brachte ihn auf die andere Rheinseite. Trotz der vielen Menschen, zwischen denen er eingezwängt auf einer Bank hockte, überfiel ihn eine bleierne Müdigkeit. Das Geschwätz der Leute rollte an seinen Ohren vorbei. Wenn er so erschöpft war, verstand er kein Wort Deutsch.
    An diesem Abend wurde er nicht alt. Er verstaute noch den Sacchetto in einem Holzstapel am Kopfende seines Bettgestells, dann kroch er unter die Decke und schlief sofort ein. Einmal beugte sich das Gesicht der jungen Frau vom Filzengraben über ihn, ihre hellbraunen Haare streiften seinen Hals. Der rotbraune Fleck in der blauen Iris flackerte wie eine Kerze. Seine Hand fuhr über ihren Rücken und blieb zwischen nackten Schulterblättern liegen. Es war Griet, die ihn am nächsten Morgen wachrüttelte.
    Â»Du hast heute Nacht italienisch geredet«, schmollte sie. »Hast du überhaupt gemerkt, dass ich neben dir lag?«

SIEBZEHN
    Anna löschte die rußende Kerze des Handleuchters und stellte ihn auf den Treppenabsatz. Die restlichen Stufen zu ihrem Zimmer nahm sie im Dunkeln. Geschwind schlüpfte sie durch die Tür und schloss sie sofort wieder, damit keine Gerüche aus dem Treppenhaus in die Stube drangen. Sie blieb stehen und schnupperte. Da war der vertraute Holzgeruch der Dachsparren, und in den Ritzen zwischen den Dielen müffelte Staub. Aus dem frisch gewaschenen Leinenzeug, mit dem sie am Morgen das Bett bezogen hatte, stieg ein Hauch von Seifenlauge, dazu der leise Ton von Lavendel. Sie öffnete die Dachluke, kühle Nachtluft drang herein. Später im Jahr, an heißen Sommerabenden, würde sie erfüllt sein vom Mief toter Fischleiber, der übeldäuig in den engen Straßen lastete. Noch immer lag über der Stadt geschäftiger Lärm, drunten rumpelte eine späte Karre durch den Filzengraben. Zwischen Wolkenlücken funkelten Sterne. Ihr Vater ankerte zur Zeit vor Zons, es war gut zu wissen, dass er dort dieselben Sterne sah.
    Sie schloss das Fenster, ging zum Tisch und öffnete die Schublade des Spiegelkästchens. Feiner Pomeranzenduft strömte heraus. Sie beugte sich darüber, blähte die Nasenflügel und sog das sanfte Odeur ein. Beim Einatmen hörte sie die Luft leise zischeln. Dann holte sie die grüne Rosoli, die sie dem dünnen Gängler am Nachmittag auf dem Mülheimer Markt abgekauft hatte.
    Dass Diedrich von Merzen das Heilwasser bezahlen wollte, hatte ihr widerstrebt. Sie war es doch, die es Janne mitbringen wollte. Das Geschenk für die beste Freundin ließ man sich doch nicht von jemand anderem bezahlen! Überhaupt begann dieser Mensch sich ein wenig zu sehr in ihr Leben einzumischen, vor allem seit seiner Unterredung mit ihrem Vater, bei der sie nicht dabei sein durfte. Das hatte mit der Kutsche begonnen, was zugegebenermaßen ein verführerisches Angebot gewesen war. Und sie hatte sich ja auch darauf eingelassen. Aber schon Ostersonntag war er dann mit etlichen Ellen feinsten, hellblauen Damasts gekommen, nur weil sie zuvor bei einem Spaziergang eine Spur zu lang an einem Stoffladen stehen geblieben war. Natürlich ließ er wie beiläufig durchblicken, dass er ganz selbstverständlich die Schneiderin bezahlen würde. Sie murmelte ein Danke und hatte das ungute Gefühl, nicht die richtigen Worte zu finden.
    Â»Wie aufmerksam von ihm!« Frau Gertrude hatte sich höchst beglückt gezeigt und das Mädchen umarmt. Anna wusste, was es bedeutete, dass sie den Stoff angenommen hatte. Aber noch immer verdrängte sie den Gedanken an eine Heirat. Es war ihr alles ein wenig zu viel der Aufmerksamkeit und vor allem zu schnell. Sie kannte

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