Filzengraben

der Kleine geweint, als sie wieder gehen mussten. Aber dann, als er schon nicht mehr damit gerechnet hat, springt der Kleine vor ihm aus dem Haus und hüpft, ein Liedchen trällernd, den Waldweg hinauf nach Piodabella. Am Abend sitzt er am Tisch und isst seinen Brei mit einem silbernen Löffel.
    Giacomo muss ihn am nächsten Tag zurückbringen. Es ist ein Gang in die Hölle.
    Unwillkürlich fasste er nach seinem Sacchettino, dem Geldbeutel, den er an einer Schnur um den Bauch gebunden hatte. Festgezurrt zwischen Körper und Hosenbund trug er ihn immer bei sich. Aber klimperten früher zwei, höchstens drei billige Fettmännchen darin, waren inzwischen daraus Heller und Albusstücke geworden. Es störte ihn nicht, dass sie ihm manchmal hart auf die Knochen drückten, schlimmer war die verdächtige Beule, die sich unter seiner abgewetzten Joppe abzeichnete. Immer wieder tastete er ängstlich nach seinem Schatz, und bevor Griet in der Nacht zu ihm schlüpfte, zählte er begierig die Geldstücke. Wenn du dein Geld lange genug zählst, vermehrt es sich von allein, hatte ihm der Schuhmacher gesagt und geschmunzelt. Damals hatte er es geglaubt, aber auch heute noch zitterte er vor Andacht und Erregung, wenn er die Münzen durch die Finger gleiten ließ.
    Er überlegte sich, wo er sein neues Vermögen verwahren könnte. Einmal schob er den Sacchetto unter die Matratze, aber er befürchtete, dass das Mädchen ihn spürte. Ein andermal verbarg er ihn hinter einem Holzstapel, doch eines Abends war der Spelunkenwirt gekommen und hatte die Hälfte der Scheite abgeräumt. Es hatte nicht viel gefehlt, und er hätte den Beutel entdeckt. Giacomo war ins Schwitzen geraten, das Herz schlug ihm bis zum Hals, er hielt die Luft an. Aber dann verschwand der Kerl mit dem letzten Stück Holz, er hatte gerade noch einmal Glück gehabt. Hätte er ihn damit erwischt, wäre nicht nur sein Geld weg gewesen; sie hätten ihn, ohne lang zu fackeln, einen Kopf kürzer gemacht. Er musste endlich einen sicheren Platz für sein Geld finden.
    Er guckte sich um. Ein Loch in der Erde? Eine Höhle in einem Baum? Nein, das war keine Lösung. Er überlegte. In den ersten Nächten, als er in Köln war, hatte er in diesem Winkel hinter Sankt Maria im Kapitol geschlafen. Es war kalt und zugig gewesen, aber kurz über dem Boden gab es einen lockeren Mauerstein. Er hatte ihn herausgezogen und ein Stück Räucherwurst dahinter verborgen, die er auf dem Markt hatte mitgehen lassen. Sie lag auch nach zwei Tagen noch in dem Versteck. Aber Wurst und Geld – das waren zwei verschiedene Paar Stiefel. Er stand auf. Irgendetwas musste er machen. Am Fluss entlang schlenderte er gemächlich zurück in die Stadt. Noch immer war der Himmel makellos blau, als er durch die Hitzgassenpforte auf den Holzmarkt gelangte.
    Erst im letzten Moment erkannte er Tilman auf der Bank. An faulen Tagen wie heute schien sie sein Stammplatz zu sein. Der kleine Mann hatte die Beine weit von sich gestreckt, an seinen Füßen glänzten brandneue Stiefel.
    Â»Es muss dir gut gehen«, bemerkte Giacomo trocken.
    Â»Ich hab sie mir verdient«, konterte der Latrinenreiniger und klopfte mit der Hand neben sich auf den Stein. Giacomo folgte seiner Aufforderung und setzte sich.
    Schweigend beobachteten sie das abendliche Treiben auf dem Platz. Männer, den Sonntagshut auf dem Kopf, debattierten. Am Tor schäkerten die Wächter mit drei jungen Mädchen, die den Männern schöne Augen machten. Nur das alte Mütterlein, das mit einem jämmerlich gackernden Huhn in der Hand vorbeischlurfte, schüttelte missbilligend den Kopf. In diesem Augenblick sauste, mit Stöcken und Steinen bewaffnet, eine Horde Jungen um die Ecke. Grölend und johlend trieben sie einen armseligen Straßenköter vor sich her, an dessen Schwanz verbeulte Töpfe hingen. Scheppernd schlug das Geschirr aufs Pflaster, der Lärm hallte von den Hauswänden wider. Die Bewohner des Armenhauses klopften sich bei dem Spektakel vor Vergnügen auf die Schenkel, bis an der nächsten Ecke eine aufgebrachte Frau aus ihrem Haus stürmte und sich der wilden Jagd in den Weg stellte. Eine Weile noch tönte ihr Gezeter über den Platz, die Stille danach war fast unwirklich.
    Â»Ich hab dich vom Tor her kommen sehen«, fing Tilman an und wippte mit seinen neuen Schuhen auf und ab.
    Â»Es ist schön