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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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unten am Rhein«, antwortete Giacomo unwirsch. Er war Tilman keine Rechenschaft schuldig.
    Â»Du humpelst.«
    Â»Ich bin heute Morgen in einen Nagel getreten. Als ich mal musste.«
    Â»Zeig her!«
    Â»Warum? Das geht vorbei.«
    Â»Zeig schon!«
    Kopfschüttelnd zog Giacomo seinen linken Schuh aus und hielt Tilman seinen Fuß hin, der mit einem Stofffetzen umwickelt war. Tilman löste den Verband und betrachtete die Fußsohle.
    Â»Tatsächlich«, stellte er fest. »Ein hübsches Loch! Besser, du holst dir ‘ne Salbe und machst die drauf. Sonst kann es passieren, dass du den Rest deines Lebens so komisch läufst wie eben.«
    Â»Ich bin mein halbes Leben ohne Schuhe rumgerannt, der Kratzer hier ist nicht der erste, den ich mir geholt habe, und ich leb immer noch, wie du siehst. Außerdem hab ich kein Geld.«
    Â»Kein Geld?«, spöttelte Tilman und deutete auf die Ausbuchtung an Giacomos Rock. »Mir kannst du nichts vormachen.«
    Giacomo zog seinen Rock fester zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Â»Das ist kein Geld.«
    Â»Sondern?«
    Giacomo sagte nichts. Er überlegte, ob er die Wunde wieder verbinden sollte. Aber dann verstaute er den Stoffstreifen in der Hosentasche und schlüpfte mit dem nackten Fuß in den Schuh.
    Konnte er Tilman trauen, wo der doch genauso ein armer Hund war wie er? Auch der würde jede Gelegenheit beim Schopf packen, um zu überleben. Andererseits, der Mann hatte ihm sein Essgeschirr gegeben.
    Â»Du hast da drin nicht zufälligerweise Seife, englische Seife? Oder vielleicht ein Zuckerhütchen, ein ganz kleines nur?« Tilman lauerte wie die Katze vor dem Mäuseloch. Giacomo musste lachen.
    Â»Englische Seife? Zuckerhut? Wie kommst du auf so was Verrücktes?«
    Dann gab er nach. »Ja, ich habe Geld da drin. Mindestens so redlich verdient wie du deine Schuhe. Ich schleppe es dauernd mit mir rum, weil ich nicht weiß, wo ich es lassen soll, damit es mir niemand klaut.« Er biss sich auf die Lippen, er hatte schon zu viel gesagt.
    Â»Du handelst mit Aqua mirabilis«, sagte Tilman beiläufig und streckte seine Beine nach vorn, sodass die Stiefel unter den Hosenbeinen zum Vorschein kamen. Das Leder glänzte.
    Giacomo starrte ihn an. »Woher weißt du das?«
    Â»Ich habe meine Augen überall.«
    Â»Es ist nichts Unrechtes.« Giacomo verteidigte sich. »Es hilft Menschen. Im Übrigen verkaufe ich es nur und bekomme meinen Lohn dafür. Wenn du etwas brauchst, ich kann dir was geben«, setzte er nach kurzem Zögern hinzu.
    Tilman schüttelte den Kopf. »Ich hab ein Dach über dem Kopf, einen Strohsack zum Schlafen, einmal in der Woche eine Portion Fleisch von den guten Frauen in Maria Lyskirchen und jede Menge Zeit, um hier auf der Bank zu sitzen und mich von der Sonne bescheinen zu lassen. Was will ich mehr?«
    Wieder schüttelte Tilman den Kopf. Dann hielt er plötzlich mitten in der Bewegung inne und schaute Giacomo prüfend an.
    Â»Aber du, du willst mehr. Und manchmal gehst du und besorgst es dir. Englische Seife zum Beispiel, von Frachtschiffen, oder Wein. Und wenn dir dabei ein Kind in den Weg läuft, schmeißt du es kurzerhand über Bord.«
    Giacomo wurde kreidebleich. Was redete Tilman da? Was wollte er von ihm? Ein Kind? Über Bord? Ob die Leute des Dottore …? Der Bastard? Wie angegossen saß Giacomo auf der harten Steinbank und rührte sich nicht. In seinem Kopf begann es zu surren, die Geräusche des Platzes drangen wie durch einen Haufen frisch geschorener Schafswolle an sein Ohr, der klagende Schrei eines Bussards ließ ihn zusammenzucken. Aber am Himmel über dem Holzmarkt flog nur eine Schar frühlingstrunkener Dohlen, und an der Nachbarbank kämpften Spatzen zeternd um einen Brotkanten.
    Â»Ich weiß nicht, was du meinst.« Das Sprechen fiel ihm schwer, er vermied Tilmans Blick.
    Farina um ein paar Dutzend Glasflakons zu erleichtern, war die eine Sache. Davon wurde der Mann nicht arm. Und der Diebstahl von ein paar Zitronen oder Pomeranzen, sei’s drum. Aber ein Kind … Etwas in Giacomo sperrte sich, den Satz zu Ende zu denken.
    Â»Du weißt nicht, wovon ich spreche? Und ich habe dir die Hälfte meiner Suppenration überlassen, weil ich geglaubt habe, dass du eine ehrliche Haut bist!«, höhnte Tilman.
    Giacomo brauste auf.
    Â»Ich lüge nicht, ich weiß wirklich nicht,

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