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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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wovon du redest. Was für ein Kind? Was für ein Schiff? Ich tue nichts anderes, als für den Dottore …«
    Er brach ab. Das hätte ihm nicht rausrutschen dürfen.
    Â»Du tust nichts anderes, als für den Dottore fragwürdige Wunderwässerchen zu verkaufen«, ergänzte Tilman triumphierend.
    Â»Es sind keine fragwürdigen Wunderwässerchen, sie helfen wirklich«, verteidigte sich Giacomo. Tilman reckte sich ein wenig, streckte Arme und Beine, knetete sich den Nacken mit seinen kurzen, plumpen Fingern. Als er wieder sprach, hatte seine Stimme jeglichen Spott verloren. Sie war sachlich, fast versöhnlich.
    Â»Giacomo, hast du etwas mit dem Tod des Kindes auf dem Niederländerschiff zu tun? Oder mit dem Tod eines gewissen Anton Cettini?«
    Â»Wer ist das?«
    Tilman zuckte mit den Achseln, aber antwortete nicht.
    Plötzlich war es Giacomo egal.
    Â»Ich habe mit all dem, was du da erzählst, nichts zu tun«, sagte er ganz ruhig. Sollte Tilman ihm doch glauben oder nicht.
    Â»Is gut. Vertragen wir uns wieder! Geh rüber zu Margaretha und hol uns einen Krug Bier.«
    Tilman deutete auf eine Schenke am Ende des Holzmarkts. »Dafür wird dein Geld hoffentlich reichen«, rief er ihm hinterher, als Giacomo sich auf den Weg machte. Er drehte sich nicht um. Ohne den Verband am Fuß lief er schon fast wieder so schnell und leichtfüßig wie immer. Er hatte es doch gleich gesagt, so ein kleines Loch würde ihn nicht umbringen.
    Es hatte vielleicht so lange gedauert, wie es brauchte, um die Bänder an Griets Schnürbrust zu lösen, bis er aus der Wirtschaft wieder ins Freie trat. Er trug den kühlen Bierkrug mit beiden Händen und passte auf, dass er auf dem unebenen Boden keinen Tropfen verschüttete. Die Sonne war hinter den Häusern verschwunden, aber noch immer war es hell auf dem Platz. Sirrend schossen Mauersegler über die Hausdächer hinweg. Wie zu Hause, wenn er von der Alm hinunter nach Druogno gekommen war. Da stand er dann und hatte den Seglern hoch oben in den Lüften hinterhergeschaut, bis ihm der Nacken wehtat und Giovanna ihn ungeduldig schimpfte, es reiche jetzt, er solle gefälligst die Beine in die Hand nehmen. Wie es ihr wohl ging? Ob sie verheiratet war? Und Kinder hatte?
    Das Kind! Was für ein Kind hatte Tilman gemeint, als er von diesem Niederländerschiff sprach? Hätten sie in der Spielmannsgasse nicht darüber geredet, wenn so ein … er suchte nach einem Wort … wenn so ein Unfall, so ein Missgeschick passiert wäre? Aber sie redeten in seiner Gegenwart nicht über ihre Touren. Sie mochten ihn nicht. Nur der Dottore wusste, was er an ihm hatte.
    Das Kind ging ihm nicht aus dem Kopf. Er musste Tilman fragen, was es damit auf sich hatte. Dann blieb Giacomo verblüfft stehen. Die Bank, wo der Freund gesessen hatte, war leer. Aber weit konnte der andere nicht sein, vielleicht war er nur mal eben hinter einen Baum getreten oder er hatte drüben im Armenhaus jemanden gesehen, mit dem er reden wollte. Da entdeckte Giacomo ihn, wie er zwischen zwei Männern in die Holzgasse einbog. Der eine Mann, einen guten Kopf größer als der kleine Tilman, hatte wie ein alter Bekannter seinen Arm um dessen Schultern gelegt.
    Â»He«, schrie Giacomo und fing zu laufen an. Aber da waren die drei schon verschwunden. Als er an die Ecke der schmalen Gasse kam, war kein Mensch zu sehen. Er wusste nicht, in welchem Haus Tilman wohnte. Sollte er irgendwo klopfen und fragen? Giacomo verharrte unschlüssig. Warum schickte ihn Tilman Bier holen – noch dazu mit seinem eigenen Geld! – und ließ ihn dann einfach sitzen? Was sollte das? Machte er sich über ihn lustig? Giacomo wurde wütend. Nein, er würde Tilman nicht hinterherrennen!
    Er nahm einen kräftigen Schluck aus dem Krug und wischte sich dann unwirsch mit der Hand über den Mund. Noch immer stand er am Anfang der Holzgasse und blickte die eintönigen Fassaden entlang. Mit wenigen Ausnahmen waren es niedrige Häuschen, kaum eines, das in den letzten Jahren einen neuen Anstrich erfahren hatte. In einem saß unter der offenen Tür ein alter Mann auf einem Hocker, in seinen Mundwinkeln klebte eine übelgraue Kruste. Er stierte Giacomo aus tränenden Augen an und schob dabei, wie eine Kuh, unablässig seinen Unterkiefer hin und her.
    Giacomo überwand sich. Ob er drei Männer gesehen habe, die eben hier

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