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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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amtlichen Bestimmungen nicht kenne? Gebert wurde butterweich, hilflos malträtierte er ein weißes Sacktuch in seinen Händen. Sie beobachtete ihn genau. Er war leicht zu beeinflussen. Missstimmigkeiten, mit wem auch immer, waren ihm unangenehm. Er glättete sie mit einigen Gläschen klebrig-süßen Likörs, die er schnell hintereinander in sich hineinkippte, und bemerkte nicht, dass Anna an ihrem Glas nur nippte. Mit ihr streiten konnte er schon gar nicht. Gott sei Dank. Am Ende hatte sie ihn für Dalmonte zurückgewonnen, der kleine Rabatt, den sie ihm gewährte, ließ sich hoffentlich verschmerzen. Noch heute wollte sie eine Note an ihren Vater schreiben, dass er sich beeile. Tabaklieferungen von und an Gebert hatten nun unbedingten Vorrang. Damit er sich nicht bei nächster Gelegenheit wieder anders besann!
    Nicht ganz so einfach verlief eine Stunde später das Gespräch mit Walter Wollheim. Er wich ihr aus. Er müsse über ihr Angebot nachdenken, befand er. Wieder hatte sie den Eindruck, dass auch er Dalmontes Spedition nur deshalb den Rücken gekehrt hatte, weil jemand mit einem Batzen Geld nachgeholfen hatte. Anna seufzte, aber ein Anfang war gemacht.
    Nur Simon Kall hatte sie nicht angetroffen, weder vor ihren Besuchen noch auf dem Nachhauseweg. Sie hatte seiner Schwester, die ihm den Haushalt führte, die Nachricht dagelassen, dass sie ihn so schnell wie möglich sprechen müsse. Jetzt saß sie abgespannt in der Küche bei Johanna, die ihr die Fischsuppe vom Mittag heiß gemacht hatte. Die Glocken von Sankt Maria Lyskirchen läuteten den Abend ein. An der Haustür schellte es. Anna ging selbst öffnen. Es war nicht der Bürgerhauptmann, sondern von Merzen. Es war das erste Mal, dass sie sich ehrlich freute, ihn zu sehen. Wenigstens für eine oder zwei Stunden wäre sie mit ihren Gedanken nicht allein. Ein bisschen Verantwortung abgeben können. Wissen, dass man sich auf den anderen verlassen konnte. Ob das für ein Eheleben ausreichte? Vielleicht kam das Herzklopfen später.
    Â»Er sorgt sich um dich«, bemerkte die Köchin, als sie und Anna die guten Gläser aus dem Salon und eine Karaffe Wein ins Vorhaus trugen.
    Â»Sei still, er kann uns hören«, sagte Anna und warf ihr einen erbosten Blick zu, der die Köchin aber nicht beeindruckte. Übers ganze Gesicht strahlend richtete Johanna den kleinen Tisch her, der, wenn er nicht benötigt wurde, zusammengeklappt unterm Fenster an der Wand stand. Dreimal rückte sie die Gebäckschale hin und her und schob sie dann dorthin, wo von Merzen zugreifen konnte, fast ohne sich bewegen zu müssen. Bevor sie sich in ihr Küchenreich zurückzog, schaute sie den Gast verschwörerisch an. Man könnte fast meinen, sie ist in ihn verliebt, dachte Anna und grinste innerlich.
    Â»Du warst bei Wollheim«, platzte von Merzen heraus, als sie allein waren.
    Dass er das schon wusste! Anna staunte. Der Kaufmann hatte offenbar dringend jemanden gebraucht, mit dem er über ihren ungewöhnlichen Besuch reden konnte. Er musste das wohl erst einmal verdauen.
    Â»Ihr … du hast ihn im Kaffeehaus in der Ehrenstraße getroffen?«, fragte sie zurück. Sie tat sich noch immer schwer, ihn mit Du anzusprechen, um das er sie nach seinem Heiratsantrag gebeten hatte.
    Â»Du bist eine mutige Frau, Anna.«
    Â»Ich kann doch nicht tatenlos zusehen, wie die Spedition zugrunde geht. Ich will wissen, warum jemand nach zwanzig Jahren Herrn Dalmonte die Zusammenarbeit aufkündigt. Die Diebstähle allein können nicht der Grund sein. Da steckt noch etwas anderes dahinter.«
    Â»Was willst du damit sagen?«, fragte er und langte nach einem Rosinenbrötchen.
    Â»Da gibt es jemanden, der faule Preise macht.«
    Von Merzen vergaß zu kauen. »Das geht zu weit. Das würde alle Spediteure in der Stadt treffen«, erregte er sich. Ein Teigbröckchen flog ihm aus dem Mund.
    Â»Das ist nicht alles«, sagte Anna. »Langsam fange ich an zu verstehen, wie das Ganze zusammenhängt. Ich habe mit dem welschen Händler gesprochen, du weißt, der vom Mülheimer Markt. Er ist kein Gauner oder nur ein ganz kleiner, aber er ist sich sicher, dass er Moritz’ Mörder kennt«, setzte sie hinzu. Während sie weitersprach, löste sich allmählich der Knoten in ihr. Schon zum zweiten Mal stellte sie fest, dass von Merzen wunderbar zuhören konnte. Manchmal

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