Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Facebook- und Dategate-Daten abgeglichen und zwei mögliche Adressen herausgefunden. Ihr erster Fehler.
Dann habe ich während des Telefonats per GPS-Tracker den Ort von Julias Handy herausgefunden. Ihr zweiter Fehler.
Dann hatte sie bei Facebook gepostet, dass sie zu Hause ist und auf ihre Katze wartet. Und sie hatte ein Foto bei Facebook platziert, das zeigte, wie die Katze aussah. Ihre »Princess«. Ihr dritter Fehler.
Einen vierten Fehler konnte sie nicht machen, genau wie all die anderen.
Weil sie da schon tot war.
Genau wie all die anderen.
Es funktioniert immer. Und es wird immer funktionieren.
Erst habe ich ihre Nummer.
Dann habe ich ihre Adresse.
Und dann habe ich ihren Kopf.
32.
Tom Myers hatte einen Traum, in dem sein Kiefer ausgerenkt war. Er hatte seinen Mund zu weit aufgesperrt und bekam ihn jetzt nicht mehr zu. Er sah alte Klassenkameraden, alte Freundinnen, die ihn hänselten, weil er mit offenem Mund durch die Gegend laufen musste.
Sein Kiefer schmerzte, und die Muskeln an den Gelenken brannten. Verschwommen nahm er durch halb geöffnete Augen ein dunkles Gewölbe wahr. Irgendjemand bewegte sich vor ihm langsam hin und her. Tom Myers hatte das Gefühl, jahrelang geschlafen zu haben. Ein pochender Schmerz vibrierte in seinem Oberschenkel.
War da nicht irgendwas geschehen? Die Tiefgarage ... der Aufzug ... und dann?
Sein Mund war trocken, weil er nicht durch die Nase atmen konnte. Die Nase schmerzte und war gleichzeitig taub. Die Nasenflügel wurden von einer Metallklemme zusammengepresst, sodass er durch den aufgesperrten Mund atmen musste.
Erst jetzt, mit zunehmender Klarheit, schmeckte er Metall auf der Zunge und am Gaumen. Kleine Plättchen, die nach Rost schmeckten. Er zuckte zusammen. Die Metallplättchen schienen messerscharf zu sein, denn er hatte sich in die Zunge geschnitten und schmeckte nun den kupfernen Geschmack von Blut. Kupfer und Rost in seinem Mund. Er wollte die Metallplättchen ausspucken. Doch wie? Sein Mund stand wirklich offen; es war kein Traum. Er konnte ihn nicht schließen.
Bewegen konnte er sich auch nicht. Er war gefesselt. Sein Kopf war mit einer Kette nach hinten gebogen, und er saß auf einem Eisenschemel wie ein Patient auf einem Zahnarztstuhl.
Panik erfasste ihn. Er versuchte, sich mit ruckartigen Bewegungen zu befreien, wobei er gutturale Laute von sich gab, denn richtig sprechen konnte er nicht.
»Vorsichtig, Sie könnten sich schneiden.«
Das war die Gestalt, die sich eben noch schemenhaft vor seinen Augen bewegt hatte.
Jetzt konnte Tom ihn sehen. Ein großer, schwarz gekleideter Mann, kräftig, mit geschmeidigen Bewegungen, der sich an einem Tisch neben dem Stuhl zu schaffen machte. Er hatte kurze blonde Haare und trug eine Brille aus mattem Edelstahl.
Seltsam: Er sah ein wenig so aus wie der Müllmann im Fahrstuhl.
Spätestens als der Fremde zu sprechen begann, kam Myers vollends zur Besinnung.
»Mr. Myers von Xenotube, nicht wahr?«, sagte der Mann.
Myers durchfuhr es eiskalt. Woher weiß er meinen Namen? Und was ist das hier überhaupt? Kidnapping? Lösegelderpressung?
» Mr. Myers«, fuhr der Fremde gelassen fort. »Ich habe ein Teppichmesser zerbrochen und die Teile in Ihren Mund gelegt. Den Mund habe ich mit Spannern aufgesperrt, wie man sie in der Kieferchirurgie benutzt, damit bei Patienten in Vollnarkose während einer Operation der Mund offen bleibt.«
Er schaute Tom Myers mit starren Augen teilnahmslos an, während Myers das Grauen wie eine schwarze, ekelhafte Spinne den Rücken hinaufkroch.
O Gott. Was ist das hier? Wer ist dieser Wahnsinnige?
In den Augen des Fremden war keine Regung zu sehen. Nur Kälte und Berechnung. Und grenzenloser Hunger, sein Ziel zu erreichen.
» Hier«, sagte der Fremde, »habe ich einen Eimer Wasser.« Er schwenkte den vollen Zehn-Liter-Eimer vor Myers’ Augen hin und her, wobei Wasser über den Rand schwappte und auf Myers’ Hose spritzte. »Sie werden sich fragen, was dieser Eimer Wasser mit den Messerteilen zu tun hat.«
Myers’ Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Tief im Inneren meldete ihm bereits eine warnende Stimme den perfiden Plan des Schattenmannes.
Der Fremde setzte ein Lächeln auf, das noch kälter war als die Herbstluft, die von oben in den Keller wehte.
»Vielleicht brauchen wir den Eimer gar nicht.« Er zog den Wassereimer demonstrativ ein Stück zurück, bevor er weitersprach. »Denn ich will etwas von Ihnen haben.« Der Mann mit der Edelstahlbrille beugte sich nach vorn,
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