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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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sodass sein Gesicht beinahe das von Myers berührte. »Ich will den Zugangscode zur Landing Page von Xenotube. Ich weiß, dass es da einen Iris-Scan über eine Webcam gibt. Ich weiß, dass der Zentralcomputer die Iris-Strukturen des Führungskreises der Firma gespeichert hat. Und ich weiß, dass die Topmanager von Xenotube dreimal in diese Webcam zwinkern müssen, um Zugang zu erhalten.« Er schwieg eine Weile, während er Myers mit Blicken durchbohrte. »Ich weiß sogar, dass der Iris-Scan auf der Landing Page die Bewegungen und die Durchblutung der Iris misst. Damit niemand auf die Idee kommt«, er schaute Myers in scheinbarer Entrüstung an, »einem Manager das Auge herauszuschneiden, um den Code zu knacken.«
    Myers wich instinktiv zurück und stieß sich den Kopf an der Steinwand.
    Der Mann mit der Brille hob eine Webcam mit einem drahtlosen Sender in die Höhe.
    »Dreimal zwinkern, Mr. Myers«, sagte er und fügte flüsternd hinzu: »Denn ich will den Zugang zu Xenotube.«
    Die Landing Page von Xenotube, dachte Myers. Vierhundert Millionen Klicks weltweit pro Monat. Damit dieser Irre seine perversen Filme oder was auch immer zeigen konnte? Das Unternehmen wäre in einem Monat bankrott, geschlossen vom Justizministerium, von aller Welt verabscheut, der Ruf für immer vernichtet. Und Myers’ Aktienoptionen wären nur noch so viel wert wie dieses faulige, stinkende Kellerverlies.
    Myers schüttelte den Kopf. Das durfte nicht passieren.
    » Unmöglich«, brachte er trotz der Messerteile in seinem Mund hervor, ohne seine Zunge oder die Schleimhaut zu verletzen.
    Eine Augenbraue des Fremden zuckte nach oben. Er hob den Eimer.
    »Sie wollen mir nicht helfen?«, sagte er. »Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen.« Er verharrte kurz in dieser Pose. Mit seinem teilnahmslosen Gesicht und der athletischen Figur erinnerte er an einen morbiden Wasserträger, wie man sie von römischen Springbrunnen kannte. Dann sprach der Fremde wieder.
    »Was jetzt kommt, nenne ich die Stahlspülung. Was das bedeutet, wollen Sie wissen? Nun, Sie haben rasiermesserscharfe Metallteile im Mund. Und ich werde Ihnen Wasser in den Mund schütten, viel Wasser.« Während er sprach, setzte er die Kante des Eimers an Myers’ Unterkiefer an. »Sie können sich wehren, wie Sie wollen – irgendwann sind Ihr Mund und Ihr Rachen so voll Wasser, dass Sie nicht mehr richtig atmen können. Und da Sie durch die Nase keine Luft bekommen, werden Sie vor der Wahl stehen, ob Sie ersticken oder das Wasser mitsamt den Stahlklingen schlucken wollen, um wieder Luft zu bekommen.« Myers spürte die ersten Tropfen Wasser auf den Lippen. Sein Gesicht war totenblass.
    »Und Sie werden das Wasser schlucken«, sprach der Fremde weiter. »Auf geht’s.«
    Myers, der vor Angst wie gelähmt war, wusste, was ihm blühte. Die messerscharfen Metallteile, die sich mit dem Druck des Wassers und der Kraft des Schluckreflexes eine blutige Schneise durch seinen Schlund schneiden, seine Speiseröhre und seinen Magen zerfetzen würden. Ein Keil aus zerrissenem Fleisch und Blut und Schmerz und Tod.
    Nein! Er schüttelte mit letzter Kraft den Kopf und nickte dann. Ja, ich tue es, ich tue alles!
    » Geben Sie mir ...«
    Der Fremde hob wieder die Brauen und zog den Eimer ein wenig zur Seite.
    »Ja?«
    »Geben Sie mir die Webcam«, lispelte Myers zwischen den Messerteilen hervor. »Ich tue, was Sie sagen.«
    Der Fremde nickte. »Eine vorbildliche Führungskraft«, sagte er.
    Er ließ den Eimer sinken und hob die Kamera.

33.
    Nummer 14.
    Wenn das stimmte, hatte der Killer vierzehn Menschen getötet.
    Und die Polizei wusste nur von dreien.
    Und wenn nur die Frauen seine »heiligen Opfer« waren und die Männer bloß Erfüllungsgehilfen, lag die Zahl der Opfer vielleicht noch höher.
    Sie standen wieder in der Rechtsmedizin in Moabit. Auf dem metallenen Sektionstisch lag der Körper des achtundzwanzigjährigen Mädchens im weißen Nachthemd. Der abgetrennte Kopf lag am Kopfende des Tisches.
    Clara musste unweigerlich an die Geschichten von Vampiren denken. An Lucy in Bram Stokers Dracula, die in einem weißen Nachthemd in ihrem Sarg lag und der Abraham Van Helsing, der Vampirjäger, die Brust durchbohrt und dann den Kopf abgeschlagen hatte.
    Die Ermittler hatten mehrere große Scheinwerfer in der Wohnung aufgestellt, um Fotos zu machen und Proben des Teppichs, der Möbel und der Umgebung zu nehmen. Im grellen Licht dieser Scheinwerfer war der Anblick der Toten noch schrecklicher gewesen

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