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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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alles schönredeten, die beschwichtigten und verdrängten, und viel zu wenige, die wirklich sagten, was Sache war.
    Aber warum sollte ich etwas mit ihm anfangen?, fragte sie zurück, als wollte sie sich selbst versichern, dass nichts geschehen würde. Er ist ein Kollege. Es ist eine professionelle Zusammenarbeit zwischen uns. Wir siezen uns sogar noch.
    Die andere Stimme erwiderte: Das sagt man immer so.
    Clara ärgerte sich, als sie in ihr Büro ging und pflichtbewusst ein letztes Mal für diesen Tag in die Mails schaute.
    Vier neue Mails. Sie überflog die Namen.
    Ihr Blick blieb auf einem der Absender haften.
    Julia Schmidt
    Ihr Herz schlug schneller. In diesem Moment wusste sie, dass die Mail nur von ihm sein konnte.
    Ich werde Ihnen zeigen, was uns verbindet, hatte er geschrieben.
    Clara vergaß MacDeath, vergaß die Verabredung. Sie machte einen Doppelklick auf die Mail.
    Kein Text. Wieder nur ein Anhang. Eine Mediendatei.
    Ein weiterer Mord? Oder wieder die gefilmten Ermittler, die diesmal durch Julia Schmidts Zimmer tappten?
    Sie klickte auf den Play-Button des Medienplayers.
    Der Bildschirm blieb eine Zeit lang schwarz. Dann erschien in weißer Schrift die Aufforderung: Bitte den Ton einschalten .
    Clara stellte den Lautstärkeregler am Monitor ein. Im Hintergrund des Films war ein Summen zu hören, mit dem sie offenbar die für sie optimale Lautstärke einstellen sollte.
    Der Kerl hat Sinn für Inszenierungen . Der denkt an alles.
    Dann hörte Clara zum ersten Mal seine Stimme – falls es seine Stimme war und nicht die eines weiteren unglücklichen Opfers, das gezwungen wurde, die Predigt zu seiner eigenen Beerdigung zu halten.
    Die Stimme war tief. Unheimlich, dunkel und verzerrt. Als diese Stimme erklang, veränderte sich das Bild. Aus dem Schwarz schälten sich undeutliche grauschwarze Strukturen heraus. Doch Clara konnte nicht erkennen, was es war.
    »Clara Vidalis«, sagte die tiefe, verzerrte Stimme, »ich hatte Ihnen gesagt, Sie hören von mir. Jetzt ist es so weit.« Ein paar Sekunden Stille; dann fuhr die Stimme fort: »Vor einiger Zeit habe ich einen Mann getötet, der unter unvorstellbaren Qualen gestorben ist.«
    Wen meinte er? Jakob Kürten? Hatte er ihn gefoltert? Die Rechtsmedizin hatte nichts festgestellt bis auf den Schnitt in der Halsarterie, sofern man an der Leiche überhaupt noch etwas hatte feststellen können.
    »Sie werden sich jetzt fragen, warum ich Ihnen das erzähle, denn er ist keiner von den Erfüllungsgehilfen, die mit meinen derzeitigen Taten zu tun haben«, fuhr die Stimme fort, als hätte sie Claras Gedanken erraten. »Es ist keiner von denen, mit denen Sie bereits Bekanntschaft gemacht haben und die die Ehre hatten, ihr Leben gegen eine neue Identität für mich einzutauschen.« Er machte eine Pause. »Jedenfalls hat der Mann nichts mit meinem Werk zu tun. Nicht direkt.«
    Also nicht Jakob Kürten oder einer der unbekannten Toten, dachte Clara. Aber worauf will er hinaus?
    » Ich erzähle Ihnen von diesem Mann«, sprach die Stimme weiter, »weil er mit uns beiden zu tun hat. Weil es damit zu tun hat, warum ich Ihnen geschrieben habe, warum ich Sie ausgewählt habe, mein Werk zu betrachten, warum ich es bin, der das vollbringt, was Sie nicht können.«
    Clara lauschte auf die verzerrte Stimme. Was meint er? Was konnte sie nicht, das er konnte?
    Die Filmsequenz wurde ein wenig schärfer, doch es war nach wie vor kaum etwas zu erkennen. Es sah aus wie die Mondoberfläche im Dämmerlicht: Krater, Schründe, schwarze Abgründe. Der Teufel mochte wissen, was der Killer ihr zeigen wollte.
    Die Stimme sprach weiter. »Es geht um zweierlei: Zum einen zeige ich Ihnen, was uns verbindet. Zum anderen zeige ich Ihnen, was Sie zu tun versäumt haben.«
    Clara starrte angestrengt auf den Bildschirm, während die verzerrten Worte in ihrem Kopf widerhallten.
    »Der Mann, den ich getötet habe, hatte eine Vorliebe für Kinder.«
    Clara zuckte zusammen, als wäre sie auf eine Starkstromleitung getreten. Sofort war ein Name in ihrem Gedächtnis. Ein Name, ein Gesicht, ein Satz.
    Holst du mich ab?
    » Dieser Mann«, fuhr die Stimme fort, »hat Kinder missbraucht.« Er machte eine Pause, als wollte er den Moment so lange auskosten, wie es nur ging. »Kinder, die zehn, zwölf Jahre alt waren. Und er hat Jugendliche missbraucht. Jugendliche, wie ich damals einer war.«
    Obwohl Clara wie unter einem Bannfluch zuhörte, während Schockwellen sie durchliefen, konnte sie noch immer klar denken. Der

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