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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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man nicht krampfhaft die ganze Zeit daran dachte. Wie der Mann, dem eine Fee erzählt, er könne im Garten einen Schatz ausgraben, er dürfe dabei aber nur nicht an rosa Elefanten denken.
    Nach einer Weile fragte sie: »Was könnte es sein, was mich mit diesem Verrückten verbindet?«
    »Vielleicht etwas in Ihrer Vergangenheit«, sagte MacDeath, während er aus dem Fenster auf die vorbeihuschenden Lichter blickte. »Nein, nicht vielleicht«, korrigierte er sich dann. »Bestimmt.«

41.
    Er hatte alles von ihm erfahren, was er wissen wollte. Vieles hatte er freiwillig nicht sagen wollen, also hatte der schwarze Mann, der sich Chill nannte, ein wenig nachgeholfen. Er hatte sich die Bilder auf Ingos Laptop angeschaut und ihn dazu befragt. Und dann hatte er den Laptop in seine große schwarze Tasche gesteckt.
    Nun saß Ingo M. zitternd und schweißgebadet vor ihm. Tränen liefen ihm übers Gesicht.
    »Warum?«, fragte er mühsam.
    Der Mann drehte sich um.
    »Warum? Du hast es immer noch nicht begriffen? Du hast immer noch keine Vorstellung, wer ich bin?«
    Ingo M. schüttelte den Kopf.
    »Erinnerst du dich an das Kinderheim damals? An den zwölfjährigen Jungen, mit dem du Ninja-Filme angeschaut hast? ›Um die Nacht zu verstehen, muss man ein Teil der Nacht werden?‹« Er öffnete die schwarze Tasche und zog einen Gegenstand hervor, den Ingo nicht genau erkennen konnte.
    »Erinnerst du dich an die Videos, die du als Lockmittel benutzt hast, um dir Sexsklaven zu beschaffen? Erinnerst du dich, was du mit diesen Jungen gemacht hast? Erinnerst du dich an die Wäscherei, wo du mich bewusstlos geschlagen hast? ›Wenn du das noch einmal machst, wird es richtig schlimm für dich‹, hast du damals gesagt, als ich dich beim Direktor verpfiffen habe. ›Dagegen wird dir das hier wie das Paradies erscheinen.‹ Aber der Direktor hat nichts gegen dich unternommen. Weil er dich brauchte.«
    In Ingos Augen spiegelten sich Erstaunen, Angst und aufkeimende Erinnerung. Vladimir. Der Knabe, der mit seiner Schwester ins Heim gekommen war, weil die Eltern verunglückt waren. Den er sich ausgeguckt hatte. Mit dem er Videos angeschaut hatte. Mit dem er gespielt hatte.
    »Das warst du? Vladimir? Aber das ist unmöglich! Du bist tot! Du hast dich im See ertränkt. Du bist tot! « Ingo schrie in hohen Tönen, während der, der sich Chill genannt hatte, den Gegenstand vor Ingo M. in die Höhe hielt, damit er ihn erkennen konnte. Es war ein Bunsenbrenner. Vladimir stellte ihn unter den Stuhl, auf dem Ingo saß.
    »Du bist toooot!« , schrie Ingo M., und seine Stimme überschlug sich vor Hysterie. Er erinnerte sich jetzt, wie er Vladimir zu Boden geschlagen hatte, wie er auf ihm gesessen, ihm ins Gesicht gespuckt und gesagt hatte: Es wäre besser für dich, du hättest mich nie kennengelernt. Und der Kleine hatte doch tatsächlich erwidert: Aber für dich wäre es noch besser gewesen.
    Kurze Zeit später hatte er sich umgebracht. Die Worte des Direktors: Vladimir Schwarz hat sich anscheinend das Leben genommen. Wir haben seine Jacke am Seeufer gefunden. Sein Fahrrad steht auch noch dort. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen.
    » Ich bin tot?« Der schwarze Mann näherte sein Gesicht dem Ingos, sodass seine Nase nur noch einen Fingerbreit von dessen bluttriefendem Kinn entfernt war. »Ich bin nicht tot, aber etwas in mir ist es. Und das, was da war, hast du getötet. Und nicht nur bei mir, auch bei vielen anderen.« Er zeigte auf den Rechner, der aus der schwarzen Tasche herausschaute. Dann bückte er sich und stellte das Gas des Bunsenbrenners unter dem Stuhl an. »Ich bin der Richter und Vollstrecker. Denn das, was du getötet hast, wird dich töten.« Mit einem Feuerzeug entfachte er die Flamme des Bunsenbrenners unter dem Stuhl.
    »Ich bin nicht tot«, sagte der, der eigentlich Vladimir hieß und wie ein schwarzer Racheengel vor Ingo stand, während das Brausen der Flammen den Raum erfüllte und Ingo M. die ungeheure Hitze spürte, die an seinen Beinen und seinem Gesäß emporstieg. »Ich bin der Tod.«
    Die Stimme hallte wie eine apokalyptische Prophezeiung durch das Kellergewölbe, während Ingo M. schrie und zappelte, Blut und Geifer aus seinem Mund spritzten und die Handschellen tief in sein Fleisch schnitten, als er versuchte, den Metallstuhl aus der Verankerung zu reißen, um den Flammen zu entkommen. Doch der Stuhl blieb stehen, und die Flammen fanden Nahrung. Der Geruch nach verbranntem Fleisch erfüllte den Raum, während die

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