Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
Vom Netzwerk:
Killer war selbst ein Opfer. Und was er erlitten hatte, gab er nun der Welt zurück. Anders. Schlimmer. Sie hatte etwas verloren, er hatte etwas verloren. Machte sie das ähnlich?
    Das dunkle Bild wurde allmählich schärfer. Es schien einen Mann zu zeigen, der auf einem Stuhl saß. Irgendetwas lag auf dem Boden. Alles war schwarz, wie verkohlt.
    »Doch ich habe überlebt.« Ein Beiklang von Triumph lag jetzt in seiner Stimme. »Ich habe diesen Menschen später aufgesucht, um mich zu rächen. Und ich habe ihn getötet. Wie, das sehen Sie hier.«
    Jetzt konnte Clara das Bild erkennen. Sie schauderte. Es war ein menschlicher Körper auf einem Stuhl. Das Fleisch, die Muskeln und die Haut waren vollkommen verbrannt. Menschliches Fleisch besteht aus Fettgewebe, dachte Clara, und das brennt genauso gut wie Paraffin. Ihre Blicke bewegten sich widerwillig über den Torso des Toten. Aus der Bauchdecke, die von der Hitze aufgeplatzt war, quollen verkohlte Innereien wie bizarre Aale hervor, und schwarz gebrannte Gewebereste hingen in unterschiedlich breiten Fasern von den schwarzen Knochen herunter.
    Clara erinnerte sich an den Fall. Sie hatte die Akte gelesen. Ingo M. war der Name des Mannes. Sie hatten seine Leiche vor ein paar Monaten in einem Bunker gefunden. Er war mit Handschellen an einen Metallstuhl gekettet gewesen. Die Sitzfläche bestand aus grobem Maschendrahtgeflecht, und unter dem Stuhl stand ein Bunsenbrenner. Der Mann hatte gebrannt. Lange gebrannt. Claras Blick blieb wieder auf dem Bildschirm haften. Das Hüftgelenk von Ingo M. lag frei, verrußte Knochen, zwischen denen verkohltes Gewebe klebte wie in der Sonne geschmolzenes Gummi. Was einmal sein After und sein Genitalbereich gewesen war, war nur noch ein qualmender schwarzer Krater.
    Doch er war nicht an der Verbrennung gestorben. Eine Hand des Mannes war nicht gefesselt. Und neben dem Mann lag ein Samuraischwert. Damit hatte er sich eigenhändig die Halsschlagader durchgeschnitten.
    Du hast die Wahl, dachte Clara, verbrenne qualvoll oder richte dich selbst.
    » Sie haben recht«, sprach die Stimme des Mannes weiter, als hätte er ihre Gedanken erraten, »ich habe ihn nicht wirklich getötet. Er hat sich selbst gerichtet. Denn sonst«, wieder eine Pause, »hätten die Flammen ihn mit in das Feuer der Hölle genommen.«
    Klar, dachte Clara zynisch, du bist kein Mörder. Das Schwert war es, die Flammen waren es, die Skalpelle waren es – nur du nicht.
    Sie schaute weiter verbissen auf den Bildschirm, auf den Kopf von Ingo M., auf die durch die Hitze aufgeplatzte Schädeldecke, aus der schwarzrotes Hirngewebe quoll und wo von dem, was man einmal als Gesicht bezeichnen konnte, nur noch eine schwarze, zerkrümelte Ruine übrig war.
    Allmählich löste das Bild sich auf.
    Ein anderes, helleres Bild erschien. Es war Grün darin. Und Weiß. Noch war es unscharf, doch es wurde schärfer. Bedrohlich schärfer. Und irgendetwas sagte Clara, dass das, was sie gleich sehen würde, nicht gut für sie wäre. Dass es ihr sehr schaden würde. Dass es noch schlimmer war als die verbrannte Leiche auf dem Stuhl.
    Schlimmer als die Snuff-CD mit dem Mord.
    Schlimmer als der abgeschlagene Kopf auf dem Regal.
    Viel schlimmer.
    »Ich habe diesen Mann verhört«, sagte die Stimme. »Auf meine Weise. Ich habe ihn dazu gebracht, zu bekennen, wen er außer mir noch missbraucht hat.«
    Clara musste schlucken, um zu verhindern, dass Magensäure ihren Mund in eine saure, ekelhafte Höhle verwandelte. Alles in ihr schrie Clara zu, sofort den Film abzuschalten, den Stecker zu ziehen, aus dem Büro zu rennen, mit MacDeath einen Whisky trinken zu gehen und alles zu vergessen.
    Aber sie tat es nicht. Warum tun wir Dinge, die verboten und falsch sind? Vielleicht, weil sie verboten und falsch sind. Das Gespenst der Perversion.
    Der Fremde sprach weiter.
    »Dieser Mann hat nicht nur Kinder missbraucht und getötet. Er hat sich angewöhnt, auf der Beerdigung seiner Opfer zu erscheinen. Ganz unbeteiligt im schwarzen Anzug. Das verschaffte ihm einen Kick. Und er hat Fotos gemacht von der Beerdigung.« Irgendetwas in Clara ahnte bereits, welches Foto der Killer ihr zeigen wollte, wer dieses Foto gemacht hatte und was sie darauf sehen würde. Und sie ahnte auch, dass es ihr nicht guttun würde, dass sie in diesem Moment lieber sterben wollte, als dieses Foto zu sehen. Dennoch blickte sie wie hypnotisiert auf den Bildschirm.
    Die Stimme fuhr fort: »Er hat Fotos gemacht vom Grabstein und vom Namen. Er

Weitere Kostenlose Bücher