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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Etzold
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aus Kot, Schmutz und Unrat lag die Leiche von Manfred Timm, von den Vögeln angepickt und angefressen. Er war halb nackt. Die Kronkorken der Bierflaschen, auf denen er gelegen hatte, waren wie Siegel ins Fleisch eingewachsen. Fast wie ein Kunstwerk von Damien Hirst.« Er kniff die Lippen zusammen. »Erinnern Sie sich?«
    »Ja, leider. Aber worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Winterfeld.
    »Einer Mumifizierung geht normalerweise kein gewaltsamer Tod voraus«, erwiderte von Weinstein. »Jemand ist Alkoholiker ... er ist krank, einsam. Und er stirbt, ohne dass von außen Gewalt angewendet wird. Wird er von seinem Haustier angefressen, und die Bissspuren sehen wie Messerstiche aus, müssen wir beweisen, dass es kein Mord war.« Er tippte wieder mit dem Skalpell auf den Oberkörper der Leiche. »Doch diese Frau hier, Jasmin Peters, war offenbar sehr hübsch. Sie hatte Freunde, hatte Fotos von diversen Urlauben und war im Kiez und in der Szene bekannt. Sie wurde umgebracht. Und irgendjemand – wahrscheinlich ihr Mörder – wollte verheimlichen, dass sie tot in der Wohnung lag.«
    »Richtig«, sagte Winterfeld. »Der Täter hat alles getan, damit der Mord nicht auffällt. Er hat sie ausbluten lassen, hat sie ausgeweidet, hat die Käfer auf sie losgelassen und hat ihr die Schädeldecke aufgebohrt, damit die Käfer die Flüssigkeit aus ihrem Hirn saugen, sodass alles vertrocknet, ohne verdächtige Gerüche zu verströmen.«
    »Ganz genau.« Von Weinstein nickte.
    Clara schauderte und dachte an den ersten Bericht der Spurensuche, die gleich nach den Ermittlern in der Wohnung gewesen war. Manche Mörder planten eine Tat lange Zeit voraus, doch dieser Mörder hatte nicht nur die Tat, sondern auch die Zeit danach präzise geplant. Er hatte Türen und Fenster mit Dichtungsmasse zugeklebt und an sämtlichen Wänden Wasserbehälter aufgestellt, sodass die Käfer nicht die Wände hinaufkrabbeln oder auf irgendeine Weise in die Wohnungen der Nachbarn eindringen konnten.
    »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen«, sagte Clara, schockiert von dem Gedanken, der ihr gerade gekommen war. »Der Täter konnte es nicht dabei bewenden lassen, dass die Leiche möglichst geruchlos in der Wohnung liegt. Er musste hin und wieder nach dem Rechten sehen.«
    »So ist es«, erwiderte von Weinstein. »Er hat offenbar die toten Käfer eingesammelt und die Wasserbehälter nachgefüllt.«
    »Vielleicht hinkt der Vergleich«, sagte Clara, »aber wenn man einem Kunden ein Produkt verkaufen will, bereitet man sich auf das Verkaufsgespräch vor, verkauft das Produkt und kümmert sich hinterher weiter um den Kunden, damit er auch langfristig mit dem Produkt zufrieden ist. Wenn dieser Killer wollte, dass niemand Jasmin Peters vermisst ...«
    Winterfeld brachte den Satz zu Ende: »... muss er dafür gesorgt haben, dass ihre Abwesenheit keine Aufmerksamkeit erregt.«
    Für einen Moment schwiegen alle. Dann sagte Clara in die Stille hinein: »Normalerweise planen Mörder ihren Mord bis ins Detail, töten das Opfer, verstecken es und suchen sich ihre nächste Beute, wenn es Serienmörder sind.« Sie blickte nacheinander von Weinstein, Winterfeld und den Sektionsassistenten an, der noch immer an der Waage mit dem Gehirn stand. »Unser Mörder hat mehr getan. Er hat sich nicht nur um die Vorbereitung der Tat und die Tat selbst gekümmert, sondern auch um die Zeit danach. Üblicherweise bringen Verkäufer ihre Produkte an den Mann und vergessen dann den Kunden. Normale Mörder verfahren genauso. Auswahl des Opfers, Planung des Mordes, der Mord selbst, das Entsorgen der Leiche. Wenn es ein Serienmörder ist, geht das so lange weiter, bis er erwischt wird. Unser Mörder hat seine Kunden – die Opfer – auch nach dem Mord nicht vergessen.« Sie senkte den Kopf, während sie sprach. »Er hat die Wertschöpfungskette des Mordes um eine Komponente erweitert.«
***
    Dankbar trank Clara den schwarzen Kaffee aus einer Tasse mit dem Logo von Hertha BSC Berlin. Von Weinstein hatte den Kaffee höchstpersönlich in der Küche der Gerichtsmedizin gekocht. Gerade hatte Winterfeld mit dem Revier telefoniert. In den letzten sechs Monaten war keine Vermisstenmeldung zu Jasmin Peters eingegangen, was bei dem großen Freundeskreis, den sie offenbar gehabt hatte, höchst ungewöhnlich war.
    Der Täter muss noch ein wenig mehr gemacht haben, als nur die Leiche zu mumifizieren, dachte Clara. Und das wiederum bestärkte sie in der Überzeugung, dass sie es hier mit einem besonders

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