Final Cut - Etzold, V: Final Cut
wurde.«
»Klar, wenn die Versicherungen einen Grund finden, nicht zu zahlen, dann zahlen die nicht«, sagte Clara. »Leben die Eltern wirklich in Hannover?«
Hermann nickte. »Alfred und Irmgard Peters. Wohnen in einem Kaff namens Springe zwischen Hannover und Hameln.«
»Sind sie schon informiert worden?«, fragte Clara.
»Das übernehmen die Kollegen vor Ort, aber erst, wenn die Leiche eindeutig identifiziert ist.« Hermann klickte weiter. »Die Eltern standen per E-Mail mit Jasmin in Verbindung. Hier ist eine Mail, die sie am Abend des Donnerstages, siebter März, an Jasmin geschrieben haben.«
Hermann klickte ins Googlemail-Account. Clara überflog den Text:
Liebe Jasmin,
bitte denk daran, dass wir für Samstag Konzertkarten haben. Onkel Wolfgang und seine Familie sind auch dabei. Ich weiß, dass er dir mit seinen Juravorträgen auf den Geist geht, aber Familie ist nun mal Familie. Mit deinen Freundinnen kannst du danach ja immer noch das Nachtleben genießen. Und keine Angst, es ist nicht der »Zwölftonmist« vom letzten Mal, wie du es genannt hast, sondern Beethoven, Bach und Schubert im Konzerthaus.
Wir freuen uns auf dich!
Deine Mama
PS: Papa lässt auch schön grüßen, ist mit Nikki gerade beim Tierarzt.
»Hat sie geantwortet?«
»Ja«, sagte Hermann. »Nichts Spektakuläres.«
Liebe Mama, lieber Papa,
ok, ihr habt einen Deal. Ich komme gerne mit ins Konzerthaus, danach muss ich aber wirklich noch auf die Piste und Sonntagabend leider schon wieder in Berlin sein. Aber wir werden sicher Zeit zum Quatschen haben.
Bis Freitag. Bin um 17.30 Uhr da. Holt ihr mich ab?
Liebe Grüße
Jasmin
Holt ihr mich ab?
Die Worte hallten in Clara nach und ließen sie schaudern, als hätte ihr jemand Eiswasser durch die Venen gepresst.
Heute: Holt ihr mich ab?
Damals: Holst du mich ab?
Damals das Gesicht ihrer Schwester Claudia an der Tür, auf dem Weg zur Musikschule. Holst du mich ab? Und sie, Clara, hatte sie nicht abgeholt. Sie hatte Claudia geradewegs in die Hände ihres Mörders laufen lassen. Der hatte sie abgeholt und als geschändetes, blutiges Stück Fleisch in einem schwarzen Plastiksack auf einer Waldlichtung zurückgelassen.
Holt ihr mich ab?
Jasmins Eltern hatten Jasmin bestimmt abgeholt, mit einem Passat Kombi oder einem ähnlichen Wagen, und waren vom Hauptbahnhof Hannover nach Springe gefahren. Zu Hause hatte das Abendessen auf dem Herd gestanden, und dann hatten sie alle einen geruhsamen, schönen Abend vor dem Kamin des Einfamilienhauses verbracht. Am nächsten Tag Shopping in Hannover, abends der Besuch des Konzerthauses und dann mit den Freundinnen noch ein wenig auf Tour gehen. Sonntag ausschlafen, Mittagessen, in den Tag hinein leben, einen Spaziergang mit der Familie und dem Hund.
Und dann zurück nach Berlin.
Am 10. März.
In die Sonnenallee 13.
In den vierten Stock.
»Hat sie seit gestern, also seit China und dem Tower, noch etwas gepostet?«, fragte Clara.
Hermann schüttelte den Kopf.
Hätte mich auch gewundert , dachte Clara. Jetzt, wo selbst wir Bullen wissen, dass sie tot ist, gibt es keinen Grund, die Fassade weiter aufrechtzuerhalten.
» Können wir herausfinden, von welchem Rechner die falschen Facebook-Postings kommen?«
Hermann nickte. »Geht über die IP-Adressen, die normalerweise mit jedem Posting verknüpft sind. Es sei denn, der User war clever und hat die Funktion ausgeschaltet. Das ist aber nicht so einfach.« Er gähnte. »Die IP-Adressen werden vom Internet oder Telefon-Provider gespeichert, und wir können sie über die Telefongesellschaft mit einem möglichen User-Account abgleichen. Anfragen sind schon unterwegs.«
»Und wenn er ein öffentliches Internetcafé benutzt hat?«
»Dann haben wir Pech«, sagte Hermann. »Es sei denn, die haben eine Kamera laufen. Dann können wir checken, wer zurzeit des Postings vor welchem Rechner saß, und hoffen, dass das Gesicht in der Datenbank des BKA ist.«
Globales Dorf, dachte Clara. Einerseits war das Internet ein unendlicher Kosmos, doch mit den richtigen Zugängen und Codes konnte man so ziemlich alles zurückverfolgen und ausfindig machen. Wobei sie fürchtete, dass der Killer es ihnen so einfach nicht machen würde.
Abwarten, sagte sie sich und dachte noch einmal an Jasmins Mail. »Wissen wir, warum sie am Abend des zehnten März unbedingt in Berlin sein musste?«
Hermann schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Wir sind gerade dabei, über Cross-Referencing herauszufinden, bei welchen Webseiten außer
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