Finale auf Föhr
er natürlich auch auf dem Gewissen.«
Carl brachte eine weitere Variante: »Oder man hat den Alten ermordet und den Jungen entführt, um von der Firma Lösegeld zu erpressen.«
Franz Branntwein war förmlich begeistert. »Ja, der Sohn ist entführt. Durch Erpresser oder Piraten. Piraten in der Nordsee, Wahnsinn!«
Das klang vielleicht doch zu abenteuerlich. Aber warum nicht Erpresser?
Franz Branntwein war sichtlich mit sich zufrieden. Im Grunde hatte er den Fall schon fast gelöst. Und wenn nicht – er würde als einer der Ersten wissen, was sich genau zugetragen hatte.
Alles Spekulationen, fand Carl. Aber irgendwie ... durchaus nachvollziehbar. Er beschloss, seinen Freund Klaus-Henning anzurufen. Vielleicht hatte er das noch nicht ermitteln können, dass der alte und der junge Siewering zusammen mit dem Boot draußen auf See waren und der Sohn offenbar auch verschwunden war.
Noch weiß man nicht viel ...
Klaus-Henning Asmussen betrat nach der ersten kurzen Besprechung mit den Kollegen – auch Lohns und die Kollegen von der Wasserschutzpolizei waren jetzt auf dem Stand – sein Dienstzimmer. Viel wussten sie ja noch nicht. Die Presse war jedenfalls auch schon im Bilde. Ekke Knudsen war bereits am Deich dabei gewesen. Er mochte den Lokalredakteur nicht, aber die Inselpolizei hatte ein gutes Verhältnis zur örtlichen Presse zu pflegen. Man brauchte einander und man half einander. Außerdem konnte er die harmlose Wattwanderergruppe nach Herzenslust befragen, da war ermittlungstaktisch gesehen kein Schaden anzurichten. Eher profitierte die Polizei von seinen Zufallsfunden.
Peters war mit Ina Meyer unterwegs zu dem Haus der Familie Siewering. Jemand aus der Familie würde den Toten identifizieren müssen. Der Wattführer war zwar fest davon überzeugt, dass es sich um den ihm persönlich bekannten Hermann Siewering handelte, aber das genügte nicht.
Asmussens Zimmer war wie immer vorbildlich aufgeräumt. Wie bei den anderen vor Urlaubsantritt. Er hatte Ina Meyer sagen hören: Steril! Sie ahnte ja nicht, was er in den Tiefen seiner Schubladen verbarg ... Er lächelte.
Gegenüber dem leicht diagonal im Raum stehenden alten Schreibtisch – einem Fossil aus der Steinzeit, aber groß, robust und praktisch dank mehrerer großer, verschließbarer Schubladen und Fächer – hing eine große Karte der nordfriesischen Inselwelt. Daneben, zum Fenster hin, die mit Zetteln bedeckte Pinnwand. Die Regalwand hinter dem Schreibtisch nahm die ganze Breite und Höhe des Zimmers ein. Sie war voll mit Akten, Handbüchern, vor allem Loseblattsammlungen, und zahlreichen Büchern sowie einigen Andenken. Bei einer Tagung der Dienststellenleiter hatte er einmal scherzhaft vorgeschlagen, spezielle Vorschriftenschnüffelhunde auszubilden. Die könnten den von Paragraphen eng umstellten Beamten vor Ort zur Seite stehen, wenn sie die brauchbaren von den unnötigen Informationen aus den immer neuen Detailanweisungen filtern wollten. Die Leidensgenossen waren begeistert gewesen und hatten beim abendlichen Bier mit der Entwicklung detaillierter Ausbildungsvorschriften begonnen. In der Führung hatte man höflich gelacht.
Ein Stahlschrank links neben der Tür diente der Aufbewahrung von Waffe und Ausrüstung. Die Beleuchtung: Neonröhren, zweireihig in der typischen Bürokonstellation. Keine Gardinen. Er brauchte den freien Blick zum Hafen.
Er schaute aus dem Fenster. Auf der anderen Seite des Hafenbeckens lag gerade ein kleines Küstenmotorschiff, an Bord war nichts zu sehen. Dahinter, vor der Markthalle, standen wie so oft diverse Lieferwagen und Anhänger. An der Stirnseite des Hafenbeckens lagen mehrere Motor-und Segelboote. Links vom Gebäude der Feringer Inselreederei sah Asmussen eine quirlige Ansammlung von Menschen. Eines der großen Fährschiffe hatte wohl mal wieder einen Schwung frischer Touristen ausgespuckt.
Er bückte sich, schaltete den Computer ein, der neben dem Schreibtisch auf dem Boden stand, und setzte sich. Wie immer dauerte es ewig, bis das System gestartet war. Das Gerät war eigentlich zur Ausmusterung fällig. Aber der Inventaretat für dieses Jahr war bereits ausgeschöpft. Den schwarz-silbernen 19-Zoll-Flachbildschirm auf der linken Seite des Schreibtisches hatte er selbst finanziert. Es war ihm irgendwann zu dumm geworden, ständig nachzufragen, wann seine alte Flimmerkiste ausgetauscht würde.
Die alten Geräte schlummerten auf einem Regal im Erdgeschoss – nicht hundertprozentig sturmflutsicher – ihrer
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