Finale auf Föhr
werden Sie wohl nicht kennen. Fabricius ist der Geburtsname meiner Frau. Alte Hamburger Patrizierfamilie.«
Sie nickte entschuldigend, den Verlag kannte sie leider wirklich nicht.
»Macht nichts, zeigt nur, dass ich dringend das Marketing verbessern müsste. Das ist nämlich meine Hauptaufgabe. Ist aber auch nicht so einfach, wir machen wenig für das breite Publikum. Der Schwerpunkt liegt auf wissenschaftlichen, hauptsächlich historischen Publikationen, auch Kartenwerke geben wir heraus. Meistens kleine Auflagen. Aber bisher haben wir es gut geschafft. Es wird allerdings immer schwieriger in diesem Segment, und wir überlegen, ob wir uns nicht bald ein populäres Standbein schaffen sollten. Zum Beispiel historische Kriminalromane. Ich habe da so eine Idee mit Kassel vor ungefähr 200 Jahren, zur Zeit von König Jérôme. Wussten Sie, dass vor Kurzem mitten in der Stadt Gebeine gefunden wurden, die möglicherweise aus dieser Zeit stammen? Ich denke mir das als Ausgangspunkt für einen Kriminalroman, der in der damaligen Zeit spielt, aber dessen Geschichte bis in die Gegenwart hineinreicht.«
Caroline Schweiger fand das interessant, gab aber zu, dass sie keinen König Jérôme kannte und über den rätselhaften Gebeinfund in Kassel nichts gehört hatte. »Das macht absolut nichts. Bis vor Kurzem wussten das die meisten Kasseler, die jetzt so verrückt nach König Lustik sind, auch nicht. Jérôme war ein Bruder von Napoléon und wurde von ihm als König in dem völlig neu geschaffenen Königreich Westphalen eingesetzt.«
»Und warum König Lustik?«, fragte die Frau.
»Er war anscheinend recht lebensfroh, hat ordentlich gefeiert und soll am Abend öfter zu seinem Hofstaat gesagt haben: Morgen wieder lustik . In Kassel ist das jetzt ein geflügeltes Wort.«
Caroline Schweiger sah auf ihre Armbanduhr, ein zierliches goldenes Modell. »Ich fürchte, ich muss jetzt gehen und Catherine abholen. Sie ist bei unseren Appartementnachbarn, die müssen in einer halben Stunde weg.«
Carl entschuldigte sich, er wollte sie natürlich nicht aufhalten. Sie wehrte ab, es wäre doch nett gewesen. Und man könnte sich ja mal wiedersehen, wo sie doch quasi Strandnachbarn waren. Ja, das war möglich. Aber war es auch gut?
Villa Siewering
»Da brat mir doch einer nen Storch!«, sagte Jörn Peters laut, als sie die breite Auffahrt zu der luxuriösen, reetgedeckten Villa hochgingen. Auch Ina Meyer war beeindruckt. Haus und Außenanlagen boten einen makellosen Eindruck. »Nicht schlecht, aber wie aus dem Katalog. Hier kann man nicht wohnen, nur besichtigen«, kommentierte er. Nicht ein Grashalm oder Unkräutchen auf der kiesbedeckten Auffahrt, der Rasen perfekt, die Wände des L-förmigen Gebäudes makellos weiß, das tief heruntergezogene Reetdach sauber in Schuss.
»Die müssen aber ganz schön Kohle haben«, sagte Ina.
»Wissen Sie, das alles kann mich nicht beeindrucken«, antwortete Peters. »Die Leute da drin sind auch nur Menschen mit Fehlern und Schwächen. Nur ihre Portemonnaies sind voller als unsere.«
Peters drückte auf den messingfarbenen Klingelknopf unter dem kleinen messingfarbenen Schild mit der schlichten Aufschrift »Siewering«. Nichts rührte sich. Er klingelte erneut, zweimal kurz hintereinander, wartete zwanzig, dreißig Sekunden. Immer noch nichts. Niemand da? »Schau’n wir mal ums Haus«, forderte er Ina auf. Sie folgte ihm. Ein schmaler, mit weißen Steinen eingefasster Kiesweg führte nach hinten in den Garten – direkt zum Südstrand hin gelegen. Auch hier war niemand. Ein mehrere Meter breites, niedrig wachsendes Wildrosengebüsch trennte das gepflegte Grundstück vom asphaltierten Deich. Auf der Terrasse schauten sie durch die großen, bis zum Boden reichenden Fenster. Sie sahen in einen großen Wohnraum mit hellen Möbeln hinein. Leer. Durch ein kleines Fenster an der Ostseite sah Ina schließlich einen jungen Mann in kurzer Hose und T-Shirt vor einem Computer sitzen, eines dieser neuartigen Headsets auf dem Kopf. Er sprach anscheinend mit jemandem, bediente gleichzeitig seine Computermaus. Der Bildschirm zeigte irgendein flackerndes, buntes Computerspiel. Kein Wunder, dass der nicht aufmachte!
Peters kam heran, schaute ebenfalls hinein, klopfte energisch an das Fenster. Der junge Mann fuhr zusammen, drehte sich um, erschrak noch mehr, als er ihn sah, den Polizisten in Uniform. Peters machte eine Geste, die ihm bedeutete, dass sie ihn zu sprechen wünschten, und ging mit Ina um das Haus herum
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