Finale auf Föhr
Blick. Helen Siewering sah ihm in die Augen, wandte sich schließlich ab und kam zu den Polizeibeamten zurück. Dann verließ er den Raum, ohne noch etwas zu sagen.
»Bitte entschuldigen Sie diese kleine Szene«, sagte sie zu Asmussen und Seyfried. »Sie stehen unter Schock, genau wie ich. Wir haben zwar schon unter dieser Angst gelebt, aber nun ... aber nun ist es Realität geworden.« Sie setzte sich wieder und sah auf ihre Hände.
»Darauf kann man sich nicht vorbereiten«, sagte Asmussen, »so eine Reaktion ist völlig natürlich.«
»Ja, sicher.« Ihre Stimme klang schwach.
Seyfried ergriff wieder das Wort. »Frau Siewering, wir begreifen Ihren Schmerz. Aber wir müssen die Todesumstände zügig klären. Und wir haben jetzt einige Fragen, die zur Lösung beider Fälle beitragen können. Das lässt sich leider nicht verschieben.«
»Bitte, fragen Sie. Ob nun heute oder morgen oder in einem Jahr, was macht das für einen Unterschied? Meinen Mann bringt mir das nicht zurück.«
Seyfried stellte einige Fragen zu den Besitzverhältnissen der Reederei und zur Regelung der Firmennachfolge im Testament. Sie konnte das nur unzureichend beantworten und verwies auf den Anwalt der Familie, einen bekannten Hamburger Notar. Sie ging davon aus, dass sie und die Kinder gleiche Anteile erben, aber zunächst mit Sicherheit keinen Einfluss auf die Geschäftsführung erhalten würden. »Mein Mann hätte das nie gemacht«, schloss sie, anscheinend ein wenig bitter, »seine Firma ausgerechnet mir anzuvertrauen. Ich hatte ja keine Ahnung. Und die Kinder sind viel zu jung.«
»Haben Sie Ihren Mann geliebt?«, wollte Asmussen nun endlich wissen.
Sie war nicht einmal zornig über die in diesem Moment sehr provokative Frage. »Natürlich habe ich meinen Mann geliebt. Was wollen Sie damit sagen?«
»Wir wollen damit sagen«, führte Seyfried weiter, »dass wir davon ausgehen müssen, dass Ihr Mann Sie gelegentlich betrogen hat und Sie das auch sehr genau wissen. Es gibt Zeugen für eine entsprechende Auseinandersetzung.«
»Ja, und deshalb bringe ich ihn um und seinen Vater gleich mit dazu. Das ist absolut idiotisch«, stellte sie ironisch fest. »Ich hab schon begriffen, dass das Ihre üblichen Polizeimethoden sind, wenn Sie etwas nicht nachempfinden können, wie in diesem Fall. Dann können Sie nur die nächsten Angehörigen unter Druck setzen. Ausgerechnet.«
»Sie müssen verstehen, dass wir allen Hinweisen nachgehen müssen, die zur Aufklärung des Falles beitragen könnten.« Seyfried nahm sich zurück. Hatte er Angst, der vornehmen Dame noch mehr auf die Füße zu treten? »Aber wir müssen leider alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Dafür bitte ich um Entschuldigung. Nehmen Sie das bitte nicht persönlich. Sie brauchen jetzt auch nichts dazu zu sagen, wenn Sie nicht wollen. Wir unterhalten uns dann zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal darüber.«
»Bitte, bitte«, sagte sie unwirsch. Klar, jetzt hatte sie die Oberhand, wo Seyfried sie mit Glacéhandschuhen anfasste. »Es stimmt ja auch, und dass mein Mann und ich uns gestritten haben wegen seiner Untreue, ist auch anderen bekannt. Und genau deshalb wäre es doch unklug von mir, ihn umzubringen. Jeder könnte gleich mit dem Finger auf mich zeigen. Wahrscheinlich machen sie das in Hamburg auch, egal was Sie herausbekommen – wenn Sie überhaupt etwas herausbekommen, was ich doch sehr hoffe. Bis jetzt habe ich jedenfalls nicht den Eindruck. Was meinen Mann und mich betrifft: Ich habe ihn zur Rede gestellt. Wir haben uns versöhnt und arrangiert. Ich habe sogar von ihm die Erlaubnis erhalten, auch meinerseits ... Es gibt darüber eine Abmachung. Ja, da staunen Sie! Nicht schriftlich, aber Sie können unseren Anwalt dazu befragen. Und natürlich nur, wenn das nicht in der feinen Gesellschaft ruchbar wird. Natürlich habe ich das nicht in Anspruch genommen. Ich liebe Martin. Ich ... liebte ihn, trotzdem. Kurzum, Ihre Geschichte taugt nichts.«
Asmussen und Seyfried waren bemüht, sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. Die notarielle »Beglaubigung« nahm der Eifersuchtsthese einiges an Schärfe. Seyfried entschuldigte sich erneut für die leider indiskreten, aber notwendigen Fragen in diesem schweren Moment. Aber sie sahen ein, dass sie hier jetzt nicht weiterkommen würden. Vielleicht könnten sie bei ihrer gemeinsamen Fahrt auf dem Polizeiboot zur Rechtsmedizin nach Husum noch etwas herausbekommen.
Spuren in die Vergangenheit
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