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Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)

Titel: Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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spanne dich lieber selbst, denn zur Fremdspannung wie zur Entspannung gibt es keinen Anlaß. Wer oder was fällt euch zur Aufklärung ein, Jungs?«
    »Sex«, sagte Zaches.
    »Voltaire«, sagte ich.
    »Brave Jungs.« Matzbach lächelte beinahe väterlich. »Man packt uns bei den Genitalien und verbietet uns das Denken. Religionen und Herrscher arbeiten da ganz prima zusammen; die Finger der Popen am Gemächt tun uns so weh, daß wir an nichts anderes denken können als an unsere Zipfel, und folgsam leiden wir und zeugen für beide neue Untertanen, statt Papst und König mit Knüppeln totzuschlagen und uns ein bißchen zu amüsieren, ehe Gevatter Tod uns ausknipst.«
    »Na ja«, sagte Zaches. »Papst und König … ist lange her, oder?«
    »Sag Pope und Präsident. Emir und Ayatollah. Generalsekretär und Hygieneminister. Egal. Dann haben Naturwissenschaftler wie Galileo uns eine wackere neue Welt errechnet, in der die Religion Privatsache, aber ansonsten nicht mehr wichtig ist, und Geisteswissenschaftler wie Voltaire haben uns das Denken beigebracht. Ich rede natürlich vom Westen, klar, der auch mit Scharlatanen wie Marx und Freud fertiggeworden ist. Der geistliche Griff klammer Klauen um unsere Klöten wurde gelockert, und als die Pille dazukam, war auch die Angst vor den Folgen weg.«
    »Was ist mit Aids?« sagte ich.
    »Tja.« Baltasar rümpfte die Nase. »Ich will meine Verschwörungstheorie nicht so weit treiben, daß ich Aids zu einer Erfindung der Reaktionäre erkläre; aber es gibt ja in Kreisen der christlichen Taliban in den USA Leute, die es für eine Strafe Gottes halten. Lassen wir das mal beiseite.«
    »Matzbach!« sagte Zaches.
    »Was denn?«
    »Du hast mir das alles schon mal ins Ohr gebrüllt; deshalb weiß ich, wenn du so weitermachst, sind wir übermorgen noch nicht fertig. Mach’s kürzer, laß ein paar Zwischenschritte aus. BoBo wird’s schon raffen.«
    »Meinst du?« Baltasar musterte mich zweifelnd.
    »Ich werd mir Mühe geben.«
    »Na denn. Großer Gedankensprung. Früher sollten wir brave Untertanen und Schäflein sein; was ist heute die erste Bürgerpflicht? Reibungslos als Rädchen in der Wirtschaft zu funktionieren. Politik, hat ein kluger Mensch gesagt, ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr läßt. Arbeit wird immer effektiver, immer mehr verdichtet; du sollst nicht zwischendurch mit dem Kollegen plaudern, du sollst produzieren. Was wächst schneller, die Produktivität oder die Menge der Zusammenbrüche,
burn-out
genannt, Folge der Verdichtung ohne Plaudern?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Statistiken fälschen ist nicht meine Sache.«
    »Guter Junge. Trotzdem. Als vor ein paar Monaten die Banken zusammenkrachten, haben wir nicht die Bankkunden gerettet und den Banken das irrsinnige Spekulieren verboten – o nein, wir haben die Völker überschuldet und die Banken gerettet, weil der Spielraum, den die Wirtschaft der Politik läßt, so klein geworden ist, daß kein Politiker mehr auf den Gedanken kommt, es ginge auch anders. Und seit Jahrzehnten sind wir Teil eines Experiments, mit dem festgestellt wird, wie man uns am besten manipuliert und wie weit man damit gehen kann. Angst, hat sich gezeigt, ist besonders gut geeignet, um die Leute zu manipulieren.«
    »Kannst du das bitte erläutern? Wir werden doch immer älter und gesünder und sicherer – wo ist da die Angst?«
    Er starrte mich böse an; fast hätte ich geglaubt, er würde mich beißen. »Immer älter und gesünder, genau, und immer mehr Angst vor Krankheiten und Tod. ›Das wichtigste ist eine gute Versicherung‹, schon mal gehört? Nicht die Freiheit, sondern eine Versicherung! Was, meinst du, wäre passiert, wenn man uns vor ein paar Jahrzehnten das Rauchen verboten hätte?«
    Ich hob die Schultern. »Da war ich noch nicht vorhanden. Was denn?«
    »Sartre und Co hätten sich Kippen in den Mundwinkel geschoben und zur Revolution aufgerufen, und alle Nichtraucher wären mitmarschiert, weil es ihnen ungeheuerlich erschienen wäre, in dieser Form ins Privat- und Zusammenleben einzugreifen. Das steht dem Staat nicht zu. Aber sie haben uns jahrelang erzählt, wie furchtbar schädlich das alles ist, sie haben Angst erzeugt – obwohl heute weniger Leute rauchen, sterben angeblich mehr daran als früher. Woher wissen die das? Auf dem Totenschein steht ›Tod durch Herzversagen‹; alles andere sind Behauptungen von bezahlten Statistikern, und die Berechnungen nützen dem, der sie bezahlt. Also lassen wir es uns gefallen,

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