Finaler Rettungskuss: Baltasar Matzbachs neunter Fall (German Edition)
behauptet, ein anderer hätte gesagt, Oswin wäre irgendwo im Großraum Köln-Aachen-Lüttich gesehen worden.«
»Hat der Verwandte einen Namen?«
Matzbach schüttelte den Kopf. »Hat er nicht. Kann auch sein, daß es eineh Verwandteh ist. Oder gar nicht verwandt.«
»Na schön. Ein Unverwandtes.«
Baltasar strahlte. »Ich sehe, mit dir ist notfalls was anzufangen; leichte Unklarheiten begreifst du schon ganz gut. Dieses Unverwandte hat gewisse Kontakte in Merl …«
»BKA Meckenheim?«
»Pssst. Es, dieses Unverwandte nämlich, hat angefangen, im Nebel herumzustochern, alte Freunde zu belästigen, sinnlos Geld auszugeben, Gefälligkeiten einzufordern. Was man eben so macht. Und es hat herausgekriegt, daß Oswin eigentlich nicht verschwunden ist, sondern verschwunden wurde. Und jetzt gibt es ein paar Leute, die gern wissen würden, ob er für oder gegen bestimmte Truppen arbeitet.«
»Was für Truppen?«
»Tja. Da gibt es wohl Leute, die Angst um ihre Geschäfte haben, wenn nach dem NATO-Abzug die Taliban wieder an die Macht kommen. Und andere, die neue Geschäfte vorbereiten, um dann mit den Taliban gute Umsätze zu machen. Außerdem gibt es angeblich eine Truppe, die daran arbeitet, bestimmte Unglücksfälle zu verhindern.«
Ich seufzte. »Was für Unglücksfälle?«
»Was passiert demnächst, nach dem Abzug, wenn Afghanistan tatsächlich wieder den Taliban oder anderen Kerlchen ähnlichen Zuschnitts in die Hände fällt – was passiert dann mit Frauen, die lesen und schreiben können? Und mit Leuten wie eurem Hamid? Dolmetscher, Verbindungsleute, Boten, meinetwegen Küchenjungen? All die armen Menschen, die mit uns gottlosen Westlern zusammengearbeitet haben? Kollaborateure …«
»… werden massakriert«, sagte Zaches. »Wahrscheinlich. Aber das wissen wir alles noch nicht.«
»Okay«, sagte ich. »Dann reden wir doch von etwas, was du wissen müßtest.«
Matzbach zwinkerte. »Ich sammele Bildungslücken. Eigene. Was weiß ich denn schon?«
»Zum Beispiel, was du hier machst. Entschuldige, Zaches, was ihr hier macht. Die Hütte, Bonn, und wieso meinst du, alles hängt mit allem zusammen?«
Hier beginnt nun meine milde Verzweiflung. Es ging ungefähr so:
»Zaches, bring uns noch ein paar Fläschchen. Das wird jetzt eine längere Durststrecke. Was meinst du, wie lange wird es dauern, bis Ossis und Wessis sich einigermaßen vertragen?«
»Keine Ahnung. Hast du einen Vorschlag?«
»Habe ich.«
»Wie lautet der?«
Matzbach legte beide Unterarme auf den Tisch, die Handflächen auf die Platte gedrückt. »Sie werden sich – na ja, wir werden uns beziehungsweise man wird einander nie vertragen. Das ist normal, und das ist gut so.«
Zaches stieß eine Art Hundeknurren aus und verdrehte die Augen. »Nicht diese Litanei schon wieder.«
»Doch, wohl, ja. Wenn du mich nun fragtest, warum das gut so ist …« Er blickte mich auffordernd an.
»Hiermit frage ich dich.«
»… dann sage ich, warum sollen sich Ossis und Wessis besser vertragen als, zum Bleifisch, Rheinländer und Schwaben? Oder Holsteiner und Bayern? Es gibt einfach Unterschiede. Oder meinst du, vor der Teilung wären Sachsen und Hessen miteinander ausgekommen? Kein Grund, sich heute einfach so zu vertragen. Aber so einfach sollen wir das nicht sehen, sonst könnten wir es ja abhaken und zu den wichtigen Dingen kommen, bei denen die da oben aber nicht gestört werden wollen. Und was die blühenden Landschaften von Happy Hippo Kohl angeht …«
»Vor meiner Zeit«, sagte ich. »Als die Mauer fiel, war ich zehn.«
Matzbach seufzte. »O ob des abscheulichen Nichtwissens der Nachgeborenen! Nachgeburten! Wie und wo soll ich denn da beginnen? So ohne Voraussetzungen?«
»Vorn, beispielsweise«, sagte Zaches. »Mit ein paar Erläuterungen für armes, unwissendes Publikum.«
»Vorn? Wie öde. Aber … na gut, vorn. Ich habe eine Theorie. Man könnte sagen, es sei eine vom Typ Verschwörungstheorie.«
»Au fein!« Zaches klatschte und riß die Augen theatralisch auf. »Ich liebe Verschwörungstheorien! Schöneres gibt’s nicht, um einen langweiligen Abend zu …«
»Halt’s Maul, du Gnom. Ziel der Verschwörung ist es, uns am Denken zu hindern, indem man uns nach und nach das dazu nötige Wissen entzieht. Und der Zweck dieses Ziels ist es, uns zu einer unbegrenzt manipulierbaren Verfügungsmasse zu machen, die gehorsam tut, was sie gesagt bekommt, ohne je zu stören oder gar aufzumucken.«
»Da bin ich aber gespannt«, sagte ich.
»So
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