finde-mich-sofort.de (German Edition)
tagsüber immer zu Hause, abends aber trat ich in Varietés, Bars und bei Betriebsfesten auf. Was musste ich mir für Vorwürfe anhören, dass eine Mutter so etwas ihrem Kind nicht zumuten könne! Heute weiß ich, dass ich es richtig gemacht habe. Damals war ich verzweifelt.
So sehr ich mich auch bemühte, bei mir funktionierte das von meinen Eltern vorgelebte Beziehungsethos »in guten wie in schlechten Zeiten« nicht. Meine Partnerschaften scheiterten alle über kurz oder lang. »Scheitern« ist übrigens auch so ein Wort meiner Eltern. Ich scheiterte, und dabei wollte ich so gern einen Mann an meiner Seite. Ich träumte von lebenslanger Liebe und einer Schar goldiger Kinder.
Dann stieß ich auf einen Artikel, in dem Soziologen das Beziehungskonzept, dem auch mein Liebesleben wohl oder übel zuzuordnen ist, als »serielle Monogamie« bezeichneten. Beim Lesen wurde mir plötzlich klar, dass Omas katholischer Zeigefinger und Mamas Einehenüberzeugung aus Zeiten stammen, die bis Ende der 1950er Jahre sogar gesetzlich untermauert waren – als Frauen kein eigenes Konto haben durften und keinerlei Entscheidungsbefugnis in der Ehe hatten. Die alten Mama-Oma-Rollenbilder hatte ich noch immer verinnerlicht und deshalb Schwierigkeiten, ein neues, passenderes Beziehungskonzept zu finden. Zu diesen soziologischen Gründen steuerten die Anthropologen Erkenntnisse bei, die Wasser auf meine Mühlen waren: Kurzzeitbeziehungen wurden schon von den Nomaden in der urweltlichen Steppe praktiziert … Die seien in überschaubaren Horden unterwegs gewesen, Beute jagend, Früchte sammelnd, Nachkommen aufziehend. Die Paare blieben damals nur etwa vier Jahre zusammen, eben solange, wie sich der Nachwuchs an den Eltern festklammerte. Sobald die Kleinen mit der Horde Schritt halten konnten, hätten sich die Paare umstandslos getrennt.
Die hatten ja auch nur eine überschaubare Lebenserwartung. In der Urzeit haben die Menschen – ob sie wollten oder nicht – im Durchschnitt mit vierzig Jahren das Zeitliche gesegnet. Wahrscheinlich hat sie jeder kleine Schnupfen aus der Bahn geworfen. Einmal geniest, zack, waren sie tot. Auch Kurzsichtigkeit muss zu verkürzter Lebenserwartung geführt haben. Mit minus sechs Dioptrien haben die ein Mammut doch gar nicht sehen können und wurden auf der Jagd ratzfatz totgetrampelt! Das heißt, damals und bis noch vor einhundert Jahren haben Paare, wenn sie Glück hatten, gerade mal die Silberhochzeit erreicht.
Heute werden wir dank Fielmann und Aspirin mehr als doppelt so alt, und ich frage mich, ob es angebracht ist, länger als fünfzig Jahre mit ein und demselben Partner zu verbringen.
Bei der Lektüre der vielen Erklärungen zu dem Thema fiel mir ein riesengroßer Stein vom Herzen. Ich begriff, dass ich nicht der einzige Mensch in Europa war, der sich mit wechselnden Lebensabschnittsgefährten und dem daraus resultierenden Gefühl der Unzulänglichkeit rumquälte. Jetzt hatte ich schwarz auf weiß, was ich schon lange ahnte! Ich scheiterte nicht, nein, ich war eine von vielen, die naturkundliche und soziologische Veränderungen in die Praxis umsetzte und neue Wege erprobte!
Ich war ungemein erleichtert und arrangierte mich mit dieser, meiner Art zu leben: Immer mal wieder die große Liebe treffen und das Rosarote-Brillen-Gefühl spüren! Dafür nahm ich filmreife Auseinandersetzungen in Kauf, die mich zum Psychologen trieben, in tiefe Löcher fallen und um Jahre altern ließen.
Meine letzte Trennung vor drei Jahren allerdings verlief erstmals freundschaftlich, problemlos und befreiend.
Ich war froh, als mein Ex seine Sachen packte und unsere gemeinsame Wohnung verließ. Männer können ja putzige Wesen mit eigenartigen Hobbys sein. Für mich war es, nachdem ich mit diesen Hobbys solange die Wohnung geteilt hatte, eine besondere Freude, seine Münz-, Flaschen- und Briefmarkensammlungen in riesigen Tüten und Kisten vor die Tür zu räumen. Endlich konnte ich meine Ordnung wiederherstellen und danach im schlurzigen Hausanzug auf dem Sofa lümmeln; im Fernsehen GZSZ , schnulzige Liebesfilme und alle Promi-Talkshows rauf und runter angucken; im Bett stundenlang das Licht anlassen, um in Krimis zu schmökern, und meine Abende verplanen, ohne jemanden zu fragen. Es war großartig!
Nach einem halben Jahr Singlespaß voll Lebenslust und Enthusiasmus feierte ich ganz groß meinen vierzigsten Geburtstag.
Meine Schwester Alexandra hatte Freunde und Kollegen aktiviert, die mich mit einer Band und selbst
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