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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Gottesdienst in Nordirland organisieren oder einem Rocker der Hells Angels statt eines Totenkopfs ein Herz mit der Inschrift
Bandidos forever
auf den kahlrasierten Schädel tätowieren würde.
    Nun war MaC allerdings nicht nur eine leidenschaftliche Journalistin, sondern auch ein fehlbarer Mensch, noch dazu eine Frau, und ihre Achillesferse war – mal abgesehen von ihrer Unsicherheit in Bezug auf Männer – ihr Haushalt. Es gab Frauen, die gemäß der Devise lebten: Ein sauberer Haushalt ist Zeichen für ein unausgefülltes Leben. MaC fand, es müsse beides zu schaffen sein: ein ausgefülltes Leben und ein aufgeräumtes, porentief sauberes Heim. Da sie aber seit Wochen, ja Monaten, nicht zu Hause gewesen war, weil sie bei ihrem Siggi gewohnt hatte, war ihre Dreizimmerwohnung im Lindach eine Mischung aus Spinnweben, Staubmäusen und modriger Luft. Die mysteriöse Inderin wollte aber partout nicht in einem öffentlichen Café über das Komplott gegen den Kulturattaché sprechen, also hatte MaC sie mit zu sich genommen, auf die Gefahr hin, dass sie für eine miserable Hausfrau gehalten würde.
    Ich hätte die Wohnung untervermieten sollen, schalt sich MaC innerlich. Aber dann hättest du jetzt nicht spontan zurückkehren können, wandte gleich darauf ihre innere Stimme ein. »Ruhe!«, befahl MaC.
    »Wie bitte?« Rani Chopra zuckte zusammen.
    »Oh, äh, Entschuldigung. Das ist mir so rausgerutscht. Bitte. Setzen Sie sich doch.« MaC führte Rani zu der Couch vor dem Panoramafenster mit Blick auf den Stadtpark – die sogenannten
Ackeranlagen
 –, auf den träge dahinfließenden Kocher und auf die Minigolfanlage. »Tee?«
    Rani setzte sich und nickte. »Danke schön, zu freundlich.«
    Als MaC sich anschickte, in die Küche zu gehen, stand Rani wieder auf und folgte ihr. Sie konnte eindeutig nicht allein sein.
    In der Spüle lag tatsächlich noch das Teesieb, in das MaC bei ihrem letzten Besuch ihren grünen Tee abgeseiht hatte. Wann war das doch gleich gewesen? Jedenfalls schien der Tee mittlerweile zu leben. MaC warf das Sieb mitsamt Inhalt in den Mülleimer.
    »Kaffee?«, fragte sie.
    Rani nickte. »Danke schön, zu freundlich.« Das war wohl der Standardspruch, den man Ausländern als Replik auf Getränkeangebote beibrachte.
    »Bitte, die Zeit läuft uns davon.« Ein Sonnenstrahl fiel auf Ranis türkisfarbenen Sari und tauchte die Küche in ein türkis schimmerndes Licht.
    Rani war wirklich ein Anblick für die Götter. Allerdings ein sichtlich gequälter Anblick. Kleine Schweißperlen klebten noch an ihrer Stirn – vielleicht vom Tanzen oder vor Angst oder weil es an diesem Tag wirklich heiß war.
    »Erzählen Sie doch einfach«, bat MaC, schaltete den Wasserkocher ein und hob anschließend die Nase prüfend in die Schmuckdose mit dem Kaffee. Der Kaffee roch nach gar nichts mehr, aber immerhin lebten keine kleinen Tiere darin. Sie löffelte reichlich braunes Pulver in ihre Bodum-Kanne.
    Rani hielt sich an einem der Küchenhocker fest. »Mein Vater arbeitet in verantwortlicher Position bei der indischen Botschaft in Berlin. Gestern Nachmittag habe ich eine Expresssendung von ihm erhalten. Einen USB -Stick mit hochbrisanten Gesprächsprotokollen. Gewisse Kräfte …« Rani versagte die Stimme. Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, und natürlich verschmierte dabei nichts.
    Als MaC sich hingegen im Spiegel über der Spüle entdeckte, fuhr sie erschrocken zurück. Die Tränen, die sie über Siggi vergossen hatte, hatten ihre Mascara in unschönen Schlieren quer über die Wangen laufen lassen. Mit ihrem Blusenärmel verwischte sie das Ganze zu einer einheitlich grauen Fläche.
    Rani schien nichts zu bemerken. »In jedem Land, in jeder Regierung, überall, wo Menschen zusammenkommen, gibt es solche und solche. Gute und böse.« Sie sammelte sich kurz, schluckte schwer und verkündete dann: »Gewisse Subjekte wollen den Kulturattaché entführen, und zwar während seines anstehenden Besuchs in Schwäbisch Hall, das hat mein Vater herausgefunden. Ich habe versucht, meinen Vater zu erreichen, aber er ist wie vom Erdboden verschluckt. Ich weiß, dass ich … um sein Leben bangen muss.« Noch mehr Tränen.
    Da ihr Blusenärmel ohnehin schon eingesaut war, benutzte MaC ihn gleich noch, um unauffällig den Staub von der Küchentheke zu wischen. Das war keine Gefühlskälte ihrerseits, es war das zwanghafte Handeln einer Frau, die von Kindesbeinen an zu penibler Sauberkeit erzogen worden war. Wiewohl sie Rani

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