Finger, Hut und Teufelsbrut
Dritter nicht in die Schusslinie geraten durfte. Chamäleongleich hatte sie sich daher neben die bodenlangen, grünblauen Vorhänge gestellt und so getan, als bewundere sie den Ausblick auf den Unterwöhrd, auf dem in diesem Augenblick ein paar Goethe-Studenten im Gras picknickten. Jetzt drehte sie sich um.
»Danke, aber nein danke, ich bringe momentan nichts hinunter.« Bei einem IQ von über 130 konnte Rani das heftige Kopfschütteln von MaC und Seifferheld hinter Irmgards Rücken problemlos deuten.
MaC meinte, das ungeduldige Fingerknöcheltrommeln ihres Chefredakteurs auf seiner Mahagonischreibtischplatte zu hören.
»Nun, ich sehe, dass ich hier nicht mehr gebraucht werde. In keinerlei Hinsicht!«, verkündete sie mit vibrierendem Timbre und stand auf. »Und da du schönen Frauen ja nie widerstehen kannst, Siggi, wirst du einem Fräulein in Not ganz sicher deine helfende Hand reichen! Kümmere dich um Frau Chopra.« MaC marschierte mit hoch erhobenem Kopf davon.
Nur um zwei Sekunden später schon wieder im Wohnzimmer zu stehen. »Meine Umhängetasche«, murmelte sie, wütend, weil sie sich ihren Abgang verhunzt hatte.
»Bitte, Frau Cramlowski, bin ich hier wirklich richtig?« Rani wirkte unsicher.
»Keine Sorge.« MaC atmete tief durch. »Dieser Mann hier ist zwar ein Frauenheld und ein Idiot und ein feiges Schwestersöhnchen, aber als Ermittler können Sie hier in Hall keinen Besseren finden. Er wird Ihren USB -Stick auftreiben und die Entführung des Kulturattachés verhindern und Sie vor Ihrem Verfolger beschützen. Sie bleiben so lange hier im Gästezimmer, bis alles vorbei ist. Falls Ihr Verfolger etwas mit der Entführung zu tun hat, sind Sie auf sich allein gestellt nicht sicher. Es ist wirklich am besten, wenn Sie hierbleiben. Ich schaue morgen wieder vorbei.«
Unterm Strich war Seifferheld fast geneigt, das als Kompliment zu nehmen.
Und auch wenn es ihn Kopf und Kragen kosten und ihm eine dreimonatige Kratzbürstigkeitsfolter durch seine Schwester eintragen würde, er würde heute Nacht ins Wohnzimmer schleichen und alle Kissen an ihren Platz zurücklegen und das Foto von ihm und MaC wieder aufhängen. Nur die Hummel-Figuren konnten, wenn es nach ihm ging, in ihrem Pappkarton im Keller verrotten. Hässliche Knirpse, durch die Bank weg.
»Frau Chopra«, sagte er, »bitte erzählen Sie mir alles von Anfang an. Wir finden eine Lösung, das verspreche ich Ihnen!«
Alkohol löst keine Probleme, aber das tut Milch ja auch nicht!
»Prost!«
Immer, wenn Klaus spürte, dass er hinter jedem südländischen Bart einen fanatischen, islamistischen Massenmörder vermutete, dann aß er beim Türken, um wieder runterzukommen. Und der beste Türke in Hall war nun mal das
Posthörnle
unter Leitung seines Kumpels Selami. Der im Übrigen keinen Bart trug. Klaus dagegen schon.
»Prost!«, erwiderten die anderen Jungs der VHS -Männerkochgruppe und kippten ihr Bier.
Klaus hatte den Notrundruf gestartet und sie alle zusammengetrommelt. Alle bis auf Siggi, der wegen irgendwas verhindert war. Klaus hatte nicht richtig zugehört. Es ging wohl um irgendeine Chinesin oder so.
Die Nachricht hatte wie eine Bombe eingeschlagen.
»Bocuse lebt!«, hatte Klaus jedes einzelne Mal ins Telefon gebrüllt. Das war in etwa so, als würde man sagen: »Elvis lebt!« Keiner hatte ihm geglaubt, aber die Aussicht auf Freibier zur Feier der angeblichen Rückkehr hatte sie dennoch alle ins
Posthörnle
getrieben. Bocuse selbst war nicht mitgekommen, ihn plagte ein Jetlag. Und eins der diversen Bordgerichte war wohl schlecht gewesen …
»Der Bocuse stand also plötzlich bei dir in der Wohnung? Einfach so?«, schwäbelte Guido Schmälzle skeptisch.
Klaus hatte gewusst, dass ihm die anderen ohne Beweisfoto keinen Glauben schenken würden, also hatte er bei sich zu Hause eine Polaroidaufnahme vom schlafenden Bocuse auf seiner Couch gemacht. Mit Mimi im Arm, damit es authentischer wirkte. Wenn man genau hinsah, konnte man auch zwei der Fruchtfliegen erkennen, die ihren Weg zu Klaus zurückgefunden hatten. Wenn noch eine kam, ließ sich die Pfeilformation wieder üben!
»Einfach so soll der Bocuse zurück sein?« Schmälzle blieb trotz Foto misstrauisch. Er war ein bekannter Wanderführerautor, und zehn Exemplare seines neuesten Buches
Let’s go Hohenlohe – Beherztes Wandern zwischen Kocher und Jagst
lagen vor ihm auf dem Tisch, zusammen mit seinen druckfrischen Autogrammkarten (auf denen man ihn im feschen Wanderdress in einem
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