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Finger, Hut und Teufelsbrut

Finger, Hut und Teufelsbrut

Titel: Finger, Hut und Teufelsbrut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Nachdem sie ihr Leben auf diese Weise wieder in die eigene Hand genommen hatte, war sie frei, mit ihren neuen Boule-Freundinnen einen trinken zu gehen.
    Onis knarzte also unentdeckt nach unten.
    Ein Hund und sein Teddy auf dem Weg in die Tiefe, um sich furchtlos der Monsterkrake am Meeresboden zu stellen.
    Oder um vor der Vorratskammer in Position zu gehen. Es musste doch wieder ein Zipfel Wurst für ihn abfallen, wäre doch gelacht!
    Ich würde mich zu Tode langweilen, wenn ich immer der gleiche Mensch wäre. (Karl Lagerfeld)
    »Spielen Sie nicht den Helden!«, brüllte der Polizist. »In Deckung!«
    Doch Fela kannte keine Angst. Er fühlte sich ganz leicht an, siegesgewiss, mutig. Seine Frau und sein Kind saßen auf dem Ast einer Blutbuche, sie waren in Sicherheit.
    Die beiden Gesetzeshüter hatten hinter ihrem Streifenwagen Schutz gesucht.
    Nein, nicht aus Feigheit. Aber wenn sie Otto nicht erschießen wollten, blieb ihnen nur der geordnete Rückzug. Der Kamerunbock war ein gefährliches Geschoss auf vier Beinen. Den Förster hatte er schon umgenietet. Blutend und stöhnend lag der Mann hinter der Buche. Immerhin war Otto ein Gentleman unter den Ziegenböcken und spielte fair. Wenn einer am Boden lag, trat er nicht noch einmal nach.
    Oh, die Beamten hätten den Bock zu gern erschossen! Aber der Fotograf des
Haller Tagblatts
hätte das im Bild festgehalten, und wenn die Behörde eines nicht brauchen konnte, dann Gewalt gegen Tiere. Gewalt gegen menschliche Straftäter, jederzeit. Gern auch übertriebene Gewalt. Aber niemals gegen ein Tier. Schon gar nicht gegen ein Tier, das süß aussah. Und Otto sah verdammt süß aus. Sein verwegenes Ziegenbärtchen erinnerte an Johnny Depp als Käpt’n Jack Sparrow.
    Wie viele psychopathische Serientäter besaß auch Otto eine Physiognomie, die harmlos wirkte. Die (wenn man sie nicht näher kannte, weil man noch nie mit ihnen in Berührung gekommen war) fast niedlich zu nennenden Hörner, der wache Blick der dunklen Augen, das seidig schwarze Fell … Ja, bei ahnungslosen Betrachtern löste er einen unwiderstehlichen Streicheldrang aus. Aber kaum fuhr man seine Hand aus, biss er zu. Und wie er biss. Der Förster konnte froh sein, wenn es den Chirurgen des Diakoniekrankenhauses gelang, seinen baumelnden Daumen wieder funktionstüchtig anzunähen.
    »Weg von dem Bock!«, brüllte einer der Polizisten.
    Doch Fela dachte gar nicht daran. Seine Frau und sein Sohn sollten sehen, dass in ihm das Herz eines Kriegers schlummerte. Vor seinem inneren Auge sah er sich selbst als Massai, der kühn einen tollwütigen Löwen niederstreckte. Na gut, er war kein Massai, und seine Vorfahren waren, soweit die menschliche Erinnerung zurückreichte, Musiker beziehungsweise Verwaltungsbeamte gewesen, aber dennoch …
    Fela war nicht unvorbereitet gekommen. Er hatte ein Ass im Ärmel, an das die Polizisten nicht gedacht hatten.
    Während Otto die Augen zu schmalen Kampfschlitzen schloss, den Kopf senkte und wie ein Stier mit den Hufen scharrte, zog Fela lächelnd einen Salzleckstein aus seiner Hosentasche.
    »Hier, lecker, lecker«, sagte er lockend zu Otto.
    Otto öffnete die Augen wieder auf Normalweite, seine Zunge fuhr erwartungsvoll heraus. Er gab ein kurzes Meckern von sich, das Fela als »Hmm, welch kulinarische Köstlichkeit« interpretierte.
    Fälschlicherweise, wie leider gesagt werden muss.
    Keine zwei Sekunden später segelte Fela in hohem Bogen durch die Luft. Mit übermenschlicher Geistesgegenwart hielt er die teure Kamera an seine Brust gepresst, damit sie keinen Schaden nahm. Leider hatte er dadurch keine Hand mehr frei, um den Sturz abzufedern.
    Äußerst unsanft landete er auf dem Schotterweg neben der Wiese. Jeder einzelne Stein bohrte sich tief in sein Fleisch. Er hatte das Gefühl, auf dem Nagelbett eines Fakirs gelandet zu sein.
    Otto schnappte sich den Salzleckstein und lief davon, hinein in den finsteren Wald.
    Von fern hörte man schon die Sirene des Krankenwagens, den die Polizisten verständigt hatten.
    Und man hörte noch etwas anderes. Karina,
seine
Karina, die Mutter seines kleinen, gelben Sohnes. Schrie sie verzweifelt seinen Namen, nicht wissend, ob er lebte oder tot war?
    Flehte sie die himmlischen Mächte lautstark um Beistand für ihren Lebensgefährten an?
    Nein, sie lachte.
    Sie grölte vor Lachen, klopfte sich auf die Schenkel und kiekste und kreischte und amüsierte sich köstlich.
    Fela junior verpennte das Ganze.

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    Der Tag der toten Ente
    Aus dem

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