Finger, Hut und Teufelsbrut
einer Tür durchschieben. Und es bleibt noch Luft.
Im Rausch ihrer Hormone war Susanne Seifferheld nicht mehr sie selbst. Die kühle, vernunftbegabte Bausparkassenmanagerin gab es nicht mehr, nur noch eine Urgewalt namens Weib.
So einem Urweib versuchte man nicht, den Mann wegzunehmen. Und schon gar nicht durch feige, unlautere Mittel und der Bezichtigung häuslicher Gewalt!
Susanne schnaubte.
Ihren Kampfschrei hatte sie der Werbung entliehen: »Bamboocha!« Was eigentlich »Iss das Leben mit dem großen Löffel« heißen sollte, in ihrem Fall aber »Es kann nur eine geben, und das bin ich!« bedeutete. (Falls der
Highlander
einen Kampfschrei besessen haben sollte, so hatte sie ihn vergessen.)
Susanne geriet förmlich ins Hecheln. Es war ein begeistertes Hecheln. Wie bei Wachtelhund Wukki, wenn es in den Wald zur Jagd ging.
Sie hatte sich keinen Plan überlegt, ihr war einfach klar, dass es heute geschehen musste. Diese dumme Tusse, diese niederträchtige Anzeigen-Stellerin, diese Silke Genschwein
würde sie mit bloßen Händen auseinandernehmen, sie mit den Handkanten vierteilen, ach was, FILETIEREN .
Susanne hüpfte von einem Bein aufs andere.
Anfangs noch vor lauter überschüssiger Energie, dann aber, weil sie mal musste. Seit der Geburt hatte sie ständig Durst und trank literweise Wasser und Kräutertee. Auch heute hatte sie eine 1 , 5 Liter Thermoskanne mit Saft mitgenommen, die sie inzwischen längstens geleert hatte.
So ein Saft war ja quasi ein Hochgeschwindigkeitsreisender: Er bahnte sich seinen Weg durch den Körper, gab mal kurz Mineralstoffe und Vitamine in den Blutkreislauf und Verdauungstrakt ab, stattete noch rasch der Niere einen Besuch ab und wollte dann – zack! – weiterwandern. Damit der Mensch nicht ständig tropfte und leckte, hatte die Natur ihn mit einer Blase ausgestattet, aber so eine Blase zeichnete sich unter anderem dadurch aus, dass sie ein individuell unterschiedliches Fassungsvermögen hatte. Das Fassungsvermögen von Susannes Blase lag weit über dem Durchschnittsbereich für eine Frau ihrer Statur und ihres Alters. Doch seit sie so viel trank, verbrachte sie mehr Zeit auf Toiletten als jeder Koksschnüffler. Und wenn sie pinkelte, war jedes Rennpferd ein Waisenkind gegen sie. Zweifellos hatte sie nicht nur eine Riesenblase, sie besaß auch noch eine extra Zusatzblase.
Und in diesem Moment verlangten beide Blasen, geleert zu werden. Sie verlangten es nachdrücklich.
Mist!
Susanne hielt es nicht länger aus. Sie joggte mit dem Sportbuggy in Richtung Kocher, um sich hinter einem der Büsche zu erleichtern.
Kaum war sie weg, trat – ganz Murphys Zufallsgesetz folgend – Silke Genschwein aus dem Massagezentrum. Sie hatte den Rest des Tages frei.
Als Susanne von ihrer illegalen Blasenentleerungssitzung im städtischen Grün zurückkam – mit Brennnesselrötungsstellen am Po, aber um gefühlte drei Liter leichter –, wartete sie bis zum Anbruch der Dunkelheit vergeblich.
Silke Genschwein wusste es nicht und würde es auch nie erfahren, aber ihr Leben von diesem Tag an verdankte sie einer übervollen Blase.
Mitternacht
Die Menschheit hält sich Tiere aus drei Gründen: um sie zu essen, sich mit ihnen zu kleiden oder sie zu streicheln. Kein Wunder, dass sich der Gewerkschaftsgedanke in Haustierkreisen immer mehr ausbreitet.
»Otto ist gesichtet worden. Willst du mithelfen, ihn wieder einzufangen?«
Karina wäre beinahe hintenübergekippt, als ihr Handy so spät noch klingelte. Sie saß mit Baby Fela auf dem Bett und hörte Mozart.
Mozart war ja angeblich gut für Babys. Ließ irgendwelche Synapsen im Gehirn wachsen oder so ähnlich. Jedenfalls wurde man klüger, wenn man als Baby Mozart hörte. Tante Irmgard hatte ihr zwar widersprochen und gemeint, das funktioniere nur bei Ungeborenen im Mutterleib und wenn die Kleinen erst einmal geschlüpft wären, sei es zu spät, aber was interessierten sie die Worte einer kinderlosen Greisin?
»Gesichtet worden? Otto? Mein Otto?«
Otto war ein Kamerunziegenbock, den Karina seinerzeit einem Wanderzirkus abgekauft hatte, um mit ihm für den
Theaterring
Werbung zu machen. Als Marketenderin mit Ziegenbock wollte sie werbewirksam durch die Stadt laufen und Flyer für die neuesten Bühnenproduktionen verteilen. Leider Gottes hatte sich Otto als äußerst ausreißefreudiger Bock erwiesen. Schon mehrmals hatte er sich in Begleitung einer Zibbe – immer einer jeweils anderen Zibbe, typisch Mann – von dem Hof in
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