Finger, Hut und Teufelsbrut
Polizeibericht
Der Angriff der Killergartenzwerge
In den späten Abendstunden des vergangenen Donnerstages warf eine Frau auf der Dachterrasse eines Hauses in der Mauerstraße im Streit zwei Balkonzierfiguren (Gartenzwerg
Heinz der Glückliche,
Glanzlack auf Gips, mit Schubkarre, 30 Zentimeter, sowie Exhibitionistengartenzwerg
Jungfernschreck,
35 Zentimeter, unverwüstlicher Hartgummi) nach ihrem Ehemann. Die rot bezipfelmützten Zwerge verfehlten den Gatten, rauschten über die Brüstung, segelten quer über die Mauerstraße, wobei sie nur knapp einen Passanten verfehlten, und fielen in den Kocher, wo sie unseligerweise auf einem gründelnden Erpel zu landen kamen. Der Passant kam mit dem Schrecken davon, Erpel und Gartenzwerge nicht.
Ein Pfeil kehrt immer nur dann zurück zum Schützen, wenn er in einem wütenden Hintern steckt.
Laut Werbung gibt es »Siebenunddreißig Arten von Kopfschmerz, die man selbst behandeln kann«. Der Durchschnittsschädel kannte allerdings nur zehn Schmerzvarianten: den pochenden Kopfschmerz links, den pochenden Kopfschmerz rechts, den Kopfschmerz beim Anblick von Prinz Frederick von Anhalt auf der Mattscheibe, den Kopfschmerz beim Lesen eines Briefes vom Finanzamt, den Kopfschmerz nach einer Begegnung der dritten Art mit einer unvermutet auftauchenden Tür, den Kopfschmerz nach zu viel Sudoku, den Kopfschmerz nach zu viel Obstler, den Kopfschmerz im Autobahnstau oder verspäteten ICE , den Doppelkopfschmerz und den prämenstruellen Kopfschmerz, der auch bei Männern vorkommt, da aber anders heißt.
Seifferheld litt an diesem Morgen an einem namenlosen Schmerz, der sich stechend bemerkbar machte, und zwar direkt hinter der Stirn.
Irgendetwas stimmte an dieser ganzen Entführungskiste nicht, und nein, es waren nicht nur die Schuhe. Es war alles viel zu glattgelaufen: Entführung, verweigerte Lösegeldzahlung, Ermordung.
Warum, um nur mal eine Frage herauszugreifen, hatte sich Rani Chopra ausgerechnet für das Goethe-Institut in Schwäbisch Hall entschieden, wo sie als Partygirl doch jemand war, der in einer Großstadt viel eher aufblühte?
Warum hatten die Entführer keine Fristverlängerung eingeräumt, sondern ihr Opfer gleich erschossen? War denen das Geld egal?
Außerdem störte es Seifferheld, dass es nach Zigarettenrauch roch. Dieser Fela! Wie oft hatte er ihn nun schon gebeten, im Haus nicht zu rauchen. Aber immerhin schienen sich die Kinder versöhnt zu haben.
Das Morgenlicht kroch verstohlen durch die Jalousien. Seifferheld hievte sich trotz Schmerzen aus dem Bett, pieselte, warf sich seinen karierten Morgenmantel über und ging hinunter in die Küche.
MaC kam kurz darauf hinterhergeschlappt. Es hieß ja, wer morgens zerknittert aufwachte, hätte tagsüber mehr Gelegenheit, sich zu entfalten. Aber schöner machte einen das nicht. Nicht einmal MaC, obwohl Seifferheld sie prinzipiell natürlich in jedem Aggregatzustand wunderbar fand, aber auch der Liebende hatte ja schließlich Augen im Kopf.
MaC ging schweren Schrittes zur Kaffeemaschine, nahm die dampfende Kanne heraus, fragte: »Von Irmi?«, und als Seifferheld verneinend den Kopf schüttelte, goss sie sich großzügig ein.
»Geht’s dir nicht gut?«, erkundigte sie sich nach den ersten, belebenden Schlucken. So waren die Frauen: Auch wenn erst zehn Prozent ihres Hirns einsatzfähig waren, das Herz war immer im Einsatz, und Mariannes Herz spürte, dass ihr Liebster Kummer hatte und Schmerzen litt.
»Hmpf«, machte Seifferheld. Er redete nicht gern über seine Gefühle. Auch nicht gern über seinen Kopfschmerz. Oder darüber, dass er an sich und der Welt zweifelte. Im Grunde sah er sich als den großen Schweiger. Als den John Wayne der Vorruhestandsexkommissare.
MaC zuckte ob des »Hmpf« mit den Schultern und ging zur Küchentheke, auf der sich der Kleinbildfernseher befand. Wenn sie ihn jetzt einschaltete, würde sein Kopf vor Schmerz explodieren, da war sich Seifferheld sicher. Wenn er aber etwas zu ihr sagte, wäre sie beleidigt. Würde er in seinem Zustand imstande sein, mit einer beleidigten Leberwurst klarzukommen?
Sie streckte schon die Hand aus, und er öffnete den Mund, da …
… klingelte es an der Haustür.
Seifferheld ging aufmachen.
Es war Frau Söback vom SWR mit einem großen Pappkarton. Wie der junge Frühling schwebte sie ihm voraus in die Küche: ein Traum in Pastellfarben, dazu der zarte Duft nach einem Blumenparfüm. Man (vor allem: Mann) hatte das Gefühl, die Sonne gehe auf.
MaC
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