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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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genäht, damit er nicht auf dem Rücken liegen konnte.
    Der einzige Lichtblick in diesen schlauchenden ersten zwei Wochen war Sean Casey. Jeden Tag begleitete Sean Buck auf seinen zwei »Schwitzwanderungen« entlang der windigen Moorlandstraßen und füllte die vier langen Stunden mit einer unerschöpflichen Flut von Anekdoten und Erinnerungen. Sean bereitete sich auf einen Kampf gegen Jem Smith vor, den Schmetterer aus Knareborough, auf den er Mitte März mit bloßen Fäusten treffen sollte, illegal und für 200 Guinee. Er hatte schon zweimal gekämpft, einmal einen Ringkampf in Irland, der als Kneipenschlägerei mit einem Rüpel begonnen hatte, welcher sich hinterher als der Champion von Kerry herausstellte. Nach nur zehn Runden hatte Sean seinen Gegner mit einem rechten Kinnhaken auf die Bretter geschickt. Danach hatten sich Grimthorp und ein Buchmacher aus Barnsley namens John J. John seiner angenommen und ihn gegen Butcher aus Kent antreten lassen, dem er in der zweiten Runde den Kiefer gebrochen hatte. Für Sean, der für fünf Shilling die Woche und ein paar Kartoffeln auf einer Farm in Donegal geschuftet hatte, war selbst das Training unter Grimthorp eine Wohltat. Bei seiner Mutter in Kilkerry hatte er schon 50 Guinee auf die hohe Kante gelegt, und nach seinem Kampf gegen Smith würde er die Boxerei an den Nagel hängen und sich zu Hause in Irland eine Farm kaufen.
    Buck hingegen empfand das Training zum ersten Mal im Leben als Qual; er tat es nicht für sich selbst, es wurde ihm zugefügt. Er fühlte sich leer, und obwohl er bereits in der ersten Woche in Fen Inn gut zwei Kilo und in der zweiten Woche nochmals knapp zwei verlor, fehlte es seinen Gliedernan Mumm. Er war müde und kraftlos, und Grimthorp sah es ihm an. Am 22. Februar schickte der Trainer eine Nachricht nach New York:
    Mein lieber Moriarty,
    inzwischen ist Dein Mann Miller seit zwei Wochen bei mir. Bei seiner Ankunft war er in einem für einen Profi jämmerlichen Zustand: Mehr als sechs Kilo Übergewicht, teigige Haut, trübe Augen – er scheint in jeder Hinsicht über die Stränge geschlagen zu haben.
    Seitdem hat er fast sechs Kilo verloren, doch es fehlt ihm nach wie vor an Herzblut, an Leidenschaft. Unter dem Fett ist ein erstklassiger und offenbar von Jugend an gut trainierter Körper zum Vorschein gekommen. Die nötigen Voraussetzungen sind also da. Als Nächstes stehen gezielte Übungen und Lauftraining auf dem Programm, und ich würde vorschlagen, zu dem von Dir in Deinem Brief vom 4. September geschilderten Plan B überzugehen, und lege Dir nahe, Dein Geld dementsprechend erst bei Deiner Ankunft zu setzen. Ich freue mich, Dich am 4. April wiederzusehen.
    In sportlicher Verbundenheit,
    George Grimthorp
    Zunächst hatte Buck Grimthorp für einen zweiten Sergeant Routledge gehalten, einen Zuchtmeister, der auf einem eisernen Trainingsprogramm beharrte, bei dem es kein Pardon und kein Entrinnen gab. Doch selbst in seinem liebeskranken Zustand musste er schließlich zugeben, dass sein Peiniger auch noch andere Seiten besaß. Der Mann aus Lancashire hatte ein Gespür für Sportler, er wusste genau, wann er seinen Mann fordern und wann er ihn in Ruhe lassen musste. Dieses Talent hatte George Grimthorp zu einem der besten Trainer der Welt gemacht, und obwohldie Wirkung bei Buck noch auf sich warten ließ, war der Erfolg bei dem ungleich empfänglicheren Sean Casey umso größer. Inzwischen war aus dem Iren ein stahlharter Kerl geworden, 80 Kilo schiere Muskeln, die es mit jedem Mann in England über 50 Runden hätten aufnehmen können. Buck konnte förmlich sehen, wie sich Sean mit Näherrücken des 18. März veränderte. Jeden Tag stand Buck hinter dem großen Ledersack und sah zu, wie der Ire ihn mit seinen Fäusten traktierte; oder er saß im spartanisch eingerichteten schummrigen Kraftraum im oberen Stockwerk des Fen Inn, während der schweißüberströmte Sean seine Hanteln stemmte. Der Mann aus Donegal war genauso leidenschaftlich bei der Sache wie er selbst es bei seiner Abfahrt aus New York im Dezember gewesen war – doch jetzt erschien ihm das so weit weg wie die Stadt selbst.
    Und es hätte Bucks Moral gewiss nicht gestärkt, hätte er einen Artikel zu lesen bekommen, der, von einem gewissen »Alten Läufer« verfasst, am 7. März in der Sportzeitschrift Bell’s Life erschien:
    Soweit bekannt ist, befindet sich der amerikanische »Cowboy-Sprinter« Buck Miller zusammen mit dem irischen Boxer Sean Casey in George Grimthorps

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