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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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und würden sehen, was er, Buck Miller, wirklich draufhatte.
    Einen Tag nach ihrer Ankunft fuhren sie für einen letzten Probelauf nach Cromer. Grimthorp hatte ein paar Stühle und einen Windschutz aus Segeltuch dabei, und Mandy und Eleanor duckten sich in der strahlenden Frühlingssonne dahinter, um dem kalten, peitschenden Ostwind zu entgehen.
    Kurz darauf standen Grimthorp, Moriarty, Buck und Billy Joe oben auf der Kuppe der Dünen. Grimthorp erklärte ihnen den Windmühlenlauf. Er frage Billy Joe, ob er es auch einmal versuchen wolle, doch der lehnte dankend ab und verwies auf seine Verletzung: Die Strecke war nichts für einen Sprinter, das sah man sofort.
    Im nächsten Moment trabte Buck davon, und der Sekundenzeiger auf Grimthorps Uhr umkreiste zuckend das große Zifferblatt. Als er nach der halben Strecke an der Mühle war, stellte Grimthorp fest, dass Buck bei 24 Sekunden lag, eine gute Sekunde unter seiner Bestzeit. Doch auf dem Rückweg am Strand entlang blies ein starker Wind.
    Mit gleichmäßigen Schritten lief Buck über den harten Sand gegen den Wind und hatte das Gefühl, als könnte er ewig weiterlaufen. Dann kam die letzte Steigung, 50 Meter die Sanddüne hinauf zu Grimthorp und den anderen,und plötzlich machte sich das bisherige Tempo bemerkbar. Seine Beine wurden weich und bleiern, und mit den Armen rudernd kämpfte sich Buck durch den seidenweichen Sand zu Billy Joe und Moriarty hinauf und versuchte, das Letzte aus seinen erschöpften Muskeln herauszuholen. Er stürzte vornüber in den Sand und hörte nicht, wie Grimthorp rief: »50 Sekunden glatt!«
    Stamford Bridge, London, 28. April 1877
    Um ein Uhr, zwei Stunden vor dem ersten Wettbewerb, wurden die Tore geschlossen, und mit der verlockenden Aussicht von vier Bier pro Mann konnte die Kapelle der Schottischen Garden dazu überredet werden, eine Stunde eher mit ihrem Unterhaltungsprogramm zu beginnen.
    Die unangefochtene Hauptattraktion war der Yankee Buck Miller, der Cowboy mit dem Känguru-Start, der Kerl, der den Sioux die Hacken gezeigt hatte und laut Zeitungen der einzige Überlebende von Little Big Horn war.
    42   571 Zuschauer strömten in das neu errichtete Londoner Stadion und konnten es kaum erwarten, den angeblich schnellsten Mann, der je auf Spikes gelaufen war, zu Gesicht zu bekommen.
    Zumindest war der Yankee ein stattlicher, gut aussehender junger Mann, und das ganze Stadion verstummte, als er sich, genau wie die Sportzeitungen vorausgesagt hatten, für seinen Vorlauf im Känguru-Stil an den Start stellte. Sofort ließ er seine Konkurrenten hinter sich, jagte mit 10,8 Sekunden durchs Ziel und qualifizierte sich problemlos für die kommenden Runden.
    Das Halbfinale endete knapper, der Yankee holte noch zwei Zehntelsekunden aus sich heraus und gewann mit 10,6 Sekunden gegen Le Mesurier aus Oxford, während der Schotte McDougall mit ebenfalls zwei Zehntelsekunden Steigerung im zweiten Halbfinale siegte.
    Die übrigen Sportveranstaltungen des Tages waren lediglich das Vorspiel für das Sprintfinale. Zwar hatte ein Sportler aus Oxford beim Hochsprung fast 1,80 Meter geschafft, und Shepherd aus Ulverston brachte es beim Stabhochsprung auf drei Meter, doch all das hatte eher etwas mit deutschem Turnen denn mit englischer Leichtathletik zu tun. Leichtathletik war Laufen, und nichts anderes wollten die 42   000 englischen Männer (und die eine oder andere Frau) an diesem Tag in Stamford Bridge sehen.
    Es war fünf Uhr, als der Starter die Finalisten auf ihre Plätze rief, und die Buchmacher nahmen keine Wetten auf den Yankee mehr an, dessen Quoten bei drei zu eins dafür, fifty-fifty gegen McDougall und im Hinblick aufs restliche Feld drei oder vier zu eins dagegen lagen. Es war klar, dass der Amerikaner seinen Känguru-Start in den Vorläufen nicht voll ausgeschöpft hatte, denn er war gleichzeitig mit den anderen aus den Startlöchern gekommen und hatte erst auf den letzten 40 Metern gewonnen; doch der Wettgemeinschaft machte man nichts vor. Zog man den Känguru-Start voll durch, ließen sich wohl noch zwei Meter rausholen, vielleicht sogar mehr.
    Der Yankee hatte den Start mehrere Minuten hinausgezögert und seine Startlöcher mit einem Handtuch ausgewischt. Dann rief der Starter alle Teilnehmer auf ihre Plätze, der Yankee kauerte sich hin, das rechte Knie auf dem Boden, und die anderen standen in starren, reglosen Posen daneben. Bei »Fertig« hob der Yankee die Hüften, und die anderen nahmen statuengleich mit erhobenen Armen

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