Finish - Roman
ersten Mal spürte Buck seinen Atem, spürte, wie seine Lungen nach Luft rangen.
Als die beiden Männer in die Zielgerade einbogen, lag Buck fast zwei Meter zurück.
Moriarty schüttelte den Kopf. Headley lief aufrecht, hielt sich wie ein wahrer Champion. Josiah Headley wusste, dass er seinen Mann in der Tasche hatte. Er musste einfach nur dabeibleiben, und das Geld gehörte ihm.
100 Meter vor dem Ziel liefen die beiden Männer durch tosendes Gebrüll. Unbeirrt hielt Buck den Blick stier auf Headleys Rücken geheftet und konnte nur an eines denken: an den Windmühlenlauf. Er war schon einmal hier gewesen, in diesem Land voller Qual und verschlackter Muskeln. Und er hatte es durchlaufen und überlebt. Er atmete tief durch.
Auf den ersten 20 Metern holte er 30 Zentimeter auf, in den nächsten 20 weitere 30. Doch 50 Meter vor dem Ziel war der Abstand auf einem knappen Meter eingefroren, und Buck spürte, wie seine Beine nachließen. Er war verloren.
»Benutz die Arme, Junge! Die Arme!«
Moriarty blickte zur Seite. Weir hatte die Augen geöffnet, und seine heisere Stimme tönte durch das Johlen der Menge.
Buck hörte Weirs Ruf, und irgendwie drangen die Worte des Schotten durch den Schleier der Erschöpfung bis tief in sein Innerstes vor. Energisch durchstießen seine Arme die Luft, von der Erschöpfung seines restlichen Körpers noch völlig unberührt.
Die Bewegung erweckte seine Beine wieder zum Leben und fügte jedem Schritt entscheidende Zentimeter hinzu. Nach wenigen Metern war er mit Headley gleichauf, ihr röchelnder Atem im Gleichtakt, wie eine grausame Parodie dessen, was ihre Beine auf der Gegengeraden vollführt hatten.
Durch seinen Schmerz hindurch spürte Buck Headleys Qualen, und ihr gemeinsames Leid erfüllte ihn mit Respekt. Dennoch pflügten seine Arme voran, auf das Zielband zu, das mit jedem Schritt weiter zurückzuweichen schien. Und plötzlich war Headley nicht mehr da. EinenMoment lang genoss Buck das Schnalzen des Zielbandes auf seiner Brust, und dann, als er auf den Rasen des Innenfeldes torkelte, stürzte Headley auf ihn drauf.
Zusammen lagen die beiden Männer im Gras, unfähig, sich zu rühren, und ihre Helfer hasteten auf sie zu.
Headley kam als Erster wieder taumelnd auf die Beine und zog Buck mit sich hoch. Die beiden Männer schwankten über die Bahn auf die Tribüne zu. Der Mann aus Yorkshire riß Bucks Arme hoch, als Garforth die Zeit durch ein Megafon in die jubelnde Menge brüllte: 47,8 Sekunden, das Schnellste, was ein Mann jemals gelaufen war.
»Du bist Weltmeister, Yankee«, sagte Headley.
15
KRISE
S.S. Harold, 2. September 1877
Der Rückweg vom Victoria-Stadion durch die rußigen Straßen von Barnsley zum Bahnhof verlief ohne Zwischenfälle. Ein kleines Vier-Augen-Gespräch mit dem Bergmannführer Alec Docherty vor dem Rennen hatte dafür gesorgt, dass sich die vier Schläger, die ein wutschnaubender William M. Bunn in ihre Umkleidekabine geschickt hatte, um kurzen Prozess zu machen, mit ein paar Zähnen weniger und einer Vielfalt blauer Flecken und Platzwunden im trüben Dreckwasser des Barnsleyer Kanals wiederfanden.
Für die Kumpels von Leadhills war es ein Vergnügen gewesen, sich Bunns Leute vorzuknöpfen, ein willkommenes Ventil für die während des Zweikampfes aufgestauten Emotionen. Bucks Triumph war die Garantie für eine starke Gewerkschaft und einen warmen Winter, in dem ihre Frauen und Kinder nicht hungern mussten. Docherty hatte Moriarty sogar eine kleine Eskorte nach Liverpool zur Seite gestellt, damit Bunn ihnen nicht aufs Schiff folgen würde, und so überquerten Moriarty und seine Freunde erleichtert und unter dem Applaus der Bergleute die Gangway der S.S. Harold . Als sie ablegten, dachte Moriarty, dass Deerfoot nach 15 Jahren endlich Genugtuung erhalten hatte. Die Yankees waren über den großen Teich zurückgekommen und hatten es den Engländern ordentlich gezeigt, und dazu in der Königsdisziplin des Profilaufsports.
Was Buck Miller betraf, so war sich Moriarty sicher, dass er diesen Augenblick, in dem er der schnellste Mannder Welt gewesen und – obwohl bereits erledigt – vor 50 000 Menschen wieder nach vorn gekommen war und es allen gezeigt hatte, in seinem ganzen Leben nicht vergessen würde.
Für Eleanor war das Duell eine Art Erleuchtung gewesen, denn zum ersten Mal hatte sie begriffen, dass das, was den laufbesessenen Moriarty getrieben hatte, durch kein zweitklassiges Match in irgendeinem Kuhkaff befriedigt werden konnte, so hoch
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