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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sie um kurz nach Mittag am Stadion ein.
    Buck hatte aus dem Kutschfenster gespäht. Selbst an diesem sonnigen Tag entsprach Barnsley seiner Vorstellung von der Hölle: schwarz verdreckte Straßen, schäbige, rußverkrustete Häuser, ein von zahllosen rauchspeienden Fabrikschloten stets getrübter Himmel. Und dennoch, dies war der einzige Ort auf Erden, wo 50   000 Menschen ein Stadion füllten und ihren Tageslohn hergaben, um einen Wettlauf zwischen zwei Läufern zu sehen, der weniger als eine Minute dauerte.
    Bereits am Vorabend waren Buck und Moriarty hergekommen, um sich die Bahn anzusehen und ein Gefühl für das Stadion zu bekommen. Ein leeres Stadion hatte stets etwas seltsam Beängstigendes, und mit einem flauen Gefühl im Magen hatte Buck den Blick über die leeren Ränge und die Reklameschilder aus Holz und Stahl entlang der Bahn wandern lassen: »Cadbury-Kakao«; »Zwei, auf die immer Verlass ist – der Papst und Bovril«, »Schottischer Elektrik-Verband«; »Harlene fürs Haar«. Seltsam, wie solch kurzlebige Nebensächlichkeiten ihm einen besseren Eindruck des Ortes vermitteln konnten als die wesentlichen Dinge.
    Er hatte eine Handvoll Asche aufgehoben und sie fest zusammengedrückt; als er die Hand öffnete, blieb das Meiste davon an den Fingern kleben. Das war gut: Es bedeutete, dass der Belag tonhaltig war, was die Bahn zugleich hart und federnd machte.
    Doch Headley war auf diesem Sportfeld noch niemals in einem Zweikampf geschlagen worden, nie in seinem ganzen Leben hatte er am Zielband jemand anderes Hacken gesehen. Bucks Magen zog sich abermals zusammen. In der wachsenden Dämmerung ließ er den Blick über die Bahn schweifen, und für einen kurzen Moment konnte er das schnelle, rhythmische Scharren von Spikes auf Asche hören.
    Moriarty, der wusste, dass die Phantasie in solchen Augenblicken zum Feind werden konnte, riss ihn aus seinen Tagträumen. Den Rest des Abends verbrachten sie schweigend im Albert Hotel; selbst der einfallsreiche Moriarty konnte Buck nicht aufheitern.
    Jetzt, eine halbe Stunde vor dem Zweikampf, lag Buck in der dunklen Unterwelt des Stadions halbnackt auf der Massageliege seiner kahlen Umkleidekabine und ließ sich von Grimthorp dessen spezielle »Match-Massage« angedeihen. Es war ein Ritual, das seine Wurzeln irgendwo in der grauen Vorzeit der Laufsportgeschichte hatte.
    Zuerst füllte Grimthorp seinen Mund mit kaltem Wasser. Mit geblähten Backen stellte er sich über Buck, sprühte dasWasser über Bucks Oberschenkel und knetete sanft den dicken, weichen Muskel. Es dauerte über 20 Minuten, ehe er mit beiden Schenkeln fertig war, doch am Ende fühlten sich Bucks Beine warm und geschmeidig an.
    Moriartys Vorbereitungen waren weniger angenehm. Kurz vor Mittag hatte William Bunn ihn um ein Treffen unter vier Augen im Bell Tavern neben dem Stadion gebeten. Dort hatte er Moriarty erklärt, dass er es nicht einfach dabei belassen hatte, Wetten auf Bucks Niederlage anzunehmen. Er selbst hatte stolze 10   000 £ bei drei zu eins gesetzt, dass Buck um eine ganze Sekunde verlieren würde. Bunn würde sich großzügig zeigen. Eine kleine Muskelzerrung bei Buck oder, noch besser, ein langsames Erlahmen auf den letzten 100 Metern würde ausreichen, um Bunns Taschen mit 30   000 £ zu füllen, von denen 10   000 mit Moriarty und seiner Entourage auf der S.S. Harold zurück nach Amerika würden fahren können.
    Die Alternative war äußerst unschön. Ein paar von Bunns Schlägerfreunden würden dafür sorgen, dass Moriarty und seine Leute Barnsley in kläglicher Verfassung verlassen würden.
    Moriarty hatte nicht sofort abgelehnt. Es war offensichtlich, dass Buck bei seinem letzten Probelauf von einem von Bunns Männern »gestoppt« worden war und dass Headleys letzter Probelauf schneller gewesen war, wenn auch nicht um zehn Meter. Bunn zweifelte nicht daran, dass Headley siegen würde, er war sich nur nicht sicher, ob es um eine volle Sekunde wäre – zumal auf fairem Wege. Moriarty begriff, dass es keinen Zweck hatte, Bunn gegen sich aufzubringen, denn damit würde er womöglich Buck gefährden, noch ehe der Wettlauf begonnen hatte.
    Die Sache war Usus. Irgendjemand in der Menge würde den Läufer »aus Versehen« aus dem Konzept bringen, mit Wasser oder gar mit Essen werfen. Moriarty kannte die Masche. Barnsley war Bunns Revier, und es war besser, den Ball flach zu halten. Also hatte er gelächelt, Bunn einendoppelten Whisky eingeschenkt und gesagt, wenn alle mit ein paar

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