Finish - Roman
riesigen, 90 Kilo schweren Strathpeffer-Stamm kämpften und sich mit dem über zwei Zentner schweren Clach Cuid Fir , dem Stein der Männlichkeit, abmühten. Dann war Cumberland-Ringen an der Reihe, ein eisernes Kräftemessen, das die zähen Highlander an ihre körperlichen Grenzen brachte.
Um zwei Uhr hatte Douglas seinen Vater für das erste Rennen, den 100-Meter-Sprint, geweckt, und eine halbe Stunde später stand Alan Cameron, der beim Vorlauf Zweiter geworden war, in weißen Long Johns, Hemd und barfuß an der Startlinie zum Finale. Ein Trompetenstoß signalisierte den Start, und die zehn Läufer kämpften sich schubsend und rempelnd die schmale, buckelige Laufbahn entlang. Von Anfang an hatte Alan Cameron sich im Mittelfeld abgemüht, stets bedrängt von den Läufern hinter ihm und unfähig, die Vordersten einzuholen. Cameron hatte einen federnden, ausholenden Schritt, doch es war kein rechter Druck dahinter, und so wurde er nur Fünfter und ging leer aus.
Beim 220-Meter-Lauf eine halbe Stunde später war es dasselbe, wiewohl Alan diesmal Vierter wurde; doch es gab nur drei Preise. Den ersten Erfolg hatte er im 400-Meter-Lauf: Er wurde Dritter und erhielt fünf Shilling.
Als schließlich der 800-Meter-Lauf (mit einem Preisgeld von einem Pfund) anstand, war das tausendköpfige Publikum auf den sehnigen, langbeinigen Sutherlander aufmerksam geworden, und als er an die Startlinie trat, wurden ermutigendeZurufe laut. Kaum erscholl die Trompete, ging Cameron mit fliegenden Beinen in Führung. Nach halber Strecke lag er 20 Meter vorn, und 200 Meter vor dem Ziel hatte er immer noch 15 Meter Vorsprung. Doch auf der Zielgeraden verließen ihn plötzlich die Kräfte, und ein stämmiger junger Läufer aus Ballater schob sich heran. Als er die Ziellinie erreichte und sich vornüber in das Stoppelgras fallen ließ, betrug sein Vorsprung nur wenige Zentimeter – doch er war endlich Erster geworden. Douglas rannte zu seinem Vater und schritt stolz neben ihm her, als Kampfrichter ihm aufhalfen und zum Teilnehmerzelt bugsierten.
Dort, im stickig heißen Zelt, ließ sich Alan Cameron in eine Ecke auf das feuchte Gras fallen. Sein schmales, gutmütiges Gesicht war schweißüberströmt. Erwartungsvoll kniete sich Douglas vor ihn hin. Cameron spürte, welche Frage seinem Sohn auf der Zunge lag.
»Wir gehen nach Amerika, mein Kleiner«, stieß er keuchend hervor. »Jetzt kommen nur noch der Meilenlauf und das Bergrennen. Morgen geht’s dann weiter zu den Ballater-Spielen und nach Aboyne. Da gibt’s das fette Geld.«
Plötzlich bemerkte Alan, dass sie nicht allein im Zelt waren. Im Zelteingang stand ein rundlicher, kleiner, schnurrbärtiger Mann mit Melone, bunt kariertem Anzug und einer dicken Zigarre im Mund.
»Hab ich da Amerika gehört?«, sagte er mit schwerem Glasgower Akzent. »So, wie Sie gerade drauf sind, schaffen Sie’s nicht mal bis zum Broomielaw-Kai.« Er betrat das Zelt, beugte sich vor und streckte seine dicke, teigige Hand aus.
»Edward Bell«, sagte er. »Förderer des schottischen Laufsports.« Er bückte sich noch tiefer hinab und sah Alan Cameron ins Gesicht.
»Sie haben Biss, mein Lieber, und ein Fitzelchen Pace. Und ein Herz so groß wie ein Kürbis. Aber Sie benutzen Ihren Grips nicht.« Er zog eine Uhr aus der Innentasche seiner Weste. »Ich hab Sie gestoppt, die ersten 400 Meterwaren Sie unter einer Minute. Aber in der zweiten Hälfte lagen Sie eher bei achtzig.« Er wackelte mit dem Zeigefinger. »Achten Sie auf Ihr Tempo, Mann. Achten Sie auf Ihr Tempo.«
Alan Cameron blieb stumm. Noch immer pochte das Blut in seiner linken Schläfe, und der Schweiß rann ihm übers Gesicht.
»Wie viel haben Sie gewonnen?«
Sein Vater antwortete nicht.
»Ein Pfund und fünf Shilling«, sagte Douglas.
»Damit kommen Sie nicht weit«, meinte Bell wohlwollend.
Alan Cameron hustete, und ein Schleimklumpen flog ins Gras.
»Ich werde in Ballater und Aboyne laufen«, sagte er.
»Ballater? Aboyne? Sie brauchen ’ne Woche, ehe Sie wieder antreten können, Mann«, sagte Bell. »Die besten Läufer aus ganz Schottland werden da sein. Keinen müden Shilling werden Sie in Ballater oder Aboyne gewinnen, darauf haben Sie mein Wort.«
Bell sah auf seine Uhr. »Noch eine Stunde bis zum Meilenlauf, und ’ne Stunde später ist der Berglauf dran. Lassen Sie Ihr Preisgeld springen, und ich mach Ihnen glatte 25 draus. Aber Sie müssen tun, was ich sage. Sie laufen nach meinen Regeln. Wie sieht’s aus?«
»Soll das
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