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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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kurzen Tage ein unverbrüchliches Band zwischen ihm und seinem Vater geschaffen hatten.
    Jeden Morgen stillten sie ihren Durst an den Bergbächen, die sich durch die öden Highlands zogen, und sein Vater rührte den Haferbrei an und streute eine Prise Salz hinein, das er in einem kleinen Lederbeutel bei sich trug. Dannging es weiter gen Süden: zwei einsame Gestalten, ein Mann und ein Kind, die sich vor den wie schlafende Ungeheuer aufragenden Bergen wie Zwerge ausnahmen.
    Am zweiten Tag hatten sie bei einem Bauernhaus in Altnaharra haltgemacht, um Milch zu kaufen, und der kleine Junge, der vor Erschöpfung zitterte, obgleich sie nur rund sechs Meilen zurückgelegt hatten, konnte die Schüssel mit der fetten Milch kaum halten. Der Bauer beherrschte kaum Englisch, sein Vater hatte mit ihm Gälisch gesprochen. Douglas hatte fast nichts verstanden, und mit dem, was er verstand, konnte er nichts anfangen. Von »Spielen« war die Rede und von Geld, aber er konnte sich keinen Reim darauf machen.
    Am vierten Tag erreichten sie Lairg, und da ihr Pökelfleisch aufgebraucht war, kauften sie ihr erstes Fleisch. Noch nie zuvor hatte Douglas Fleischpastete gegessen, und er verschlang sie wie ein ausgehungerter Hund, als könnte sie seinem ermatteten Körper sofort wieder neue Kraft geben.
    Einen Tag später kamen sie nach Bonar-Bridge, und Vater und Sohn hatten sich an den Fluss gesetzt und sich das kalte Wasser über die müden Beine laufen lassen. Dann ging es weiter nach Dingwall, die erste Stadt, die Douglas und sein Vater je gesehen hatten. Den ganzen Tag waren sie mit großen Augen durch die Kopfsteinpflasterstraßen gelaufen, hatten die sauberen zweigeschossigen Häuser aus grauem Stein angestarrt und die feinen Leute in ihren Kutschen begafft. Als sie Dingwall Richtung Süden verließen und die ersten Schilder mit dem Namen »Strathpeffer« auftauchten, spürte Douglas erleichtert, wie der Griff seines Vaters wieder fester wurde.
    Noch lang ehe sie Strathpeffer erreichten, klang das Pfeifen von Dudelsäcken durch das sonnige Tal und wies ihnen den Weg zum nächsten Ziel. Alan Cameron hielt die Hand seines Jungen fest in der seinen und legte einen Schritt zu.
    Und dann tauchte plötzlich Strathpeffer unter ihnen auf,zwei Häuserreihen, ins sommersonnige Tal geschmiegt. In einer grasbewachsenen Senke vor dem Dorf hatten sich zum Klang mehrerer Dudelsäcke Hunderte, vielleicht Tausende Menschen versammelt.
    »Die Spiele«, sagte sein Vater ohne eine weitere Erklärung. Eine halbe Stunde später waren sie am Spielfeld, und Alan Cameron hatte sich durch das Getümmel zum Zelt des Schriftführers gekämpft. Darin saß ein kleines Männchen mit einer Schottenmütze und riesigen buschigen Koteletten an einem Klapptisch und kritzelte eifrig mit einem Federkiel.
    »Was gibt’s?«, raunzte er in Englisch.
    »Wo, bitte, sind die Wettläufe, Sir?«, fragte Alan.
    »Sie sind wohl nicht von hier, was?«
    »Nein.«
    »Dann müssen Sie bei den offenen Rennen teilnehmen, um drei Uhr. Welche Disziplinen?«
    »Alle.«
    Die Augenbrauen des kleinen Mannes zuckten, doch er sagte nichts und trug Alan Cameron getreulich bei allen Disziplinen ein, vom 100-Meter-Lauf bis zum Bergrennen. Danach war Douglas’ Vater zum Teilnehmerzelt gegangen, um sich bis zum Nachmittag auszuruhen, und der Junge war allein über das Spielfeld gestreunt.
    Die Strathpeffer-Spiele wurden in der Gegend nur »Das Treffen« genannt, denn genau das waren sie, ein großes Treffen der Landbevölkerung nach einem harten Highland-Winter. Niemand wusste, wann sie das erste Mal abgehalten worden waren, doch gewiss vor der schrecklichen Schlacht von Culloden 1746, als die Jakobiten von den königlichen Truppen unter »Schlächter« Cumberland niedergemetzelt worden waren. Unter dem Druck zahlreicher Restriktionen hatten 20 Jahre lang keine Spiele stattgefunden, bis sie 1786 wieder auflebten und nun sogar der einst verbotene Kilt zugelassen war.
    Die Zeiten waren bitter, die Highland-Bevölkerung hatteunter den Landbesitzern schwer zu leiden, mit erbarmungsloser Härte wurden die Kleinbauern von der Schafzucht verdrängt. Viele Highlander starben in der Hungersnot, Zehntausende emigrierten nach Neuseeland oder zogen in die Industriestädte Zentralschottlands. Eine Kultur lag im Sterben, und die Treffen waren eines ihrer letzten Zeugnisse.
    Den ganzen Morgen hatte der kleine Douglas zugesehen, wie sich die Schwergewichtler der Gegend in Steinwurf und Hammerwerfen schlugen, mit dem

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