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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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heißen, ich muss beide Läufe gewinnen?«
    Der kleine Mann nickte. »Sie können’s schaffen. Wie ich schon sagte, Sie haben Biss und Sie sind flott. Sie müssen nur auf Ihr Tempo achten. Benutzen Sie Ihren Grips, und wir haben beide ’n bisschen was davon. Was meinen Sie?«
    Diesmal nickte Alan Cameron, und Bell begann, leise und eindringlich auf ihn einzureden.
    Eine Stunde später führte der Mann aus Sutherland das Feld an, gab auf der ersten Dreiviertelmeile ein gemächliches Tempo vor, zog auf der letzten Viertelmeile mühelos davon und gewann einen Guinea Preisgeld.
    Das Bergrennen lief nicht ganz so glatt, denn die Strapazen der einwöchigen Wanderung und die gelaufenen Wettkämpfe machten sich bemerkbar. Doch Alan Cameron hatte sein ganzes Leben im Gebirge verbracht, und seine Beine waren an die Unannehmlichkeiten des Berglaufs gewöhnt. Er siegte mit gut zehn Metern Vorsprung und strich 30 Shilling ein.
    Das Spielfeld von Strathpeffer war menschenleer, als Edward Bell die Zeltplane beiseiteschlug und eintrat. Er hielt ein dickes Bündel Scheine in der Hand, mehr Geld, als Alan Cameron je gesehen hatte.
    »Hab bessere Quoten bekommen als gedacht«, sagte Bell. »42 Pfund 14 Shilling. Damit können Sie erster Klasse nach Amerika fahren.«
    Und so stachen die Camerons am 1. August in See.
    Um nichts in der Welt hätte Alan Cameron es zugegeben, doch über New York wusste er nicht mehr als sein kleiner Sohn. Seine einzigen großstädtischen Erfahrungen – Dingwall konnte man wohl kaum als Großstadt bezeichnen – beschränkten sich auf die drei Wochen, die sie bis zum Auslaufen ihres Schiffes in einem heruntergekommenen Mietshaus in der Glasgower Argyll Street zugebracht hatten.
    Glasgow glich einem faulen Zahn, Armut säumte die dunklen, feuchten Straßen wie Grind. Die beiden Camerons waren froh, als sie an Bord der S.S. Troy das schwarze, ölige Hafenbecken des Broomielaw-Kais verließen und der Stadt den Rücken kehrten.
    Alan Cameron hatte richtige Schauermärchen über die Reise im Zwischendeck nach Amerika gehört, die Briefe, die Glencalvie seit den ersten schrecklichen Rodungen 1780 aus der Neuen Welt erreicht hatten, waren voll davon gewesen. Von quälenden Brechanfällen in nassen, rattenverseuchten Frachträumen war die Rede gewesen, und deshalb, so hatte er sich vorgenommen, würden er und seinSohn komfortabel reisen, und wenn es seinen letzten Penny kosten würde. Also hatte er eine kleine, gut ausgestattete Zweibettkabine gemietet.
    In der Kabine nebenan war ein Herr namens Gregor McGregor untergebracht, der ihr Leben grundlegend verändern sollte.
    McGregor war ein Hüne von einem Mann, 1,95 Meter groß und 100 Kilo schwer. Er war auf dem Weg in die Neue Welt, um am Park Street Theatre in einer Reprise von Rob Roy, der königliche Rebell aufzutreten, nachdem er bereits in London und Leeds in dieser Rolle geglänzt hatte.
    Jeden Abend während und nach dem Abendessen erfreute Gregor die Mitreisenden damit, in seinem dröhnenden Bass endlos aus Rob Roy, König Lear und Richelieu zu deklamieren. Cameron und sein Sohn saßen wie gebannt da, der Vater sprachlos, dass jemand so viele Wörter kannte und diese auch noch auswendig und in solch einer Fülle heraussprudeln konnte. Zu Alans Glück war neben Gregor noch ein weiterer Schauspieler an Bord, ein irischer Komödiant namens Dennis Flaherty, der ebenfalls auf dem Weg nach New York war, um eine Nebenrolle in der irischen Posse Brulgruddery zu spielen. Flaherty sprühte nur so vor Geschichten und versetzte seine Zuhörer in heilloses Gelächter, so dass selbst der schüchterne Alan Cameron aus sich herauskam und in die allgemeine Heiterkeit einstimmte.
    Doch bei dem kleinen Douglas Cameron brachten McGregors Gepolter und Flahertys Witzeleien etwas in seinem Innersten zum Schwingen. Jeden Abend beobachtete er die Gesichter der Mitreisenden und sah, wie sie an den Lippen der beiden Schauspieler hingen, wie ihnen die Tränen über die Wangen rannen, wenn sich McGregor in den wahnsinnigen König Lear verwandelte, oder sie wiederum vor Lachen in Tränen ausbrachen, wenn Flaherty Schwänke aus dem guten alten Irland darbrachte. Douglas Cameron beschloss, Schauspieler zu werden.
    Der riesige McGregor und sein winziger irischer Freund Flaherty kamen überein, die beiden Sutherlander unter ihre Fittiche zu nehmen. Flaherty war bereits zehn Jahre zuvor in New York gewesen, in den goldenen Tagen des großen Tragöden Junius Brutus Booth, und er wusste,

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