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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Die Berührung reichte, um den jungen Läufer stolpernd Richtung Innenfeld zu befördern.
    Steeprock warf McIlwain einen Blick des Einverständnisses zu, und die beiden Männer machten sich für ihren »Schaukampf« auf der Zielgeraden bereit. Schließlich sollten die Leute was zu sehen bekommen.
    Doch Moriarty war noch nicht fertig. Irgendwie hatte er sein Gleichgewicht wiedergefunden und kehrte sieben Meter hinter seinen Gegnern und mit puddingweichen Knien zur Innenkurve der Bahn zurück. Einen Moment lang war die Wut stärker als die Erschöpfung. Mit hochgerissenen Knien und röchelndem Atem sprintete er los. Auf den letzten 80 Metern lag er nur noch drei Meter zurück. 50 Meter vor dem Ziel war es nicht mehr als ein Meter.
    Er war drauf und dran, mit den beiden Läufern gleichzuziehen, als diese sich wie abgesprochen in ihren Endspurt stürzten. Zehn Meter hielt Moriarty mit ihnen mit, dann konnte er der Erschöpfung nicht mehr widerstehen, die Beine brachen ihm weg und er stürzte weit hinter Steeprock und dem vorherbestimmten Sieger Ewan McIlwain bäuchlings über die Zielgerade.
    Diese New Yorker Kaledonischen Spiele hatten Moriarty die Augen geöffnet. Zum einen hatte er gelernt, dass es Männer wie Steeprock und McIlwain gab, für die Laufen nichts weiter war als ein Geschäft. Zum anderen war ihm klar geworden, dass nicht immer die Schnellsten das Rennen machen. Doch vor allem hatte er gelernt, dass er genau wie sein Vater ein Talent fürs Langstreckenlaufen hatte.
    Auch befand er, dass die Laufleidenschaft seiner jungenTheaterkarriere nicht im Weg stand, und Edwin Booth, der talentierteste der Schauspielerfamilie, bestärkte ihn darin. Der körperlich recht schwächliche Edwin war der Meinung, die Statur eines Schauspielers sei Teil seines Kapitals, weshalb Moriartys sportliche Betätigung seinem schauspielerischen Werdegang nur zuträglich sein könne – schließlich sei ja allgemein bekannt, das die Beine eines Schauspielers stets als Erstes dran glauben mussten.
    1857 spielte der achtzehnjährige Moriarty alles, was ihm unterkam: von irischen Possen wie dem Dauerbrenner Mutter Grogan’s Tochter bis zum Laertes in Hamlet . Das blühende Kulissenbauunternehmen seines Vaters war inzwischen auch in Boston und Philadelphia aktiv, wo Moriarty nicht nur selbst auf der Bühne stand, sondern auch Proben anderer Aufführungen besuchte, gefeierten Shakespearedarstellern wie Charlotte Cushman beim Einstudieren ihrer Rollen zusah und miterleben durfte, wie in der staubigen Nüchternheit der Probebühnen ganze Inszenierungen entstanden.
    In New York wiederum besuchte der junge Schotte die zahllosen Zirkusse und Freak-Shows, die allesamt ums Überleben kämpften. In Phineas T. Barnums American Museum erlernte er die Grundlagen des Reitens (Colonel Farrell), der Akrobatik (Hengler Junior) und der Zauberei (Professor Anderson, der Zauberer des Nordens).
    Wenn er gerade nicht gierig in sich aufsog, was die Bühne zu bieten hatte, trainierte er am Deutschen Turner-Institut. Steinbach beließ es nicht dabei, seinen jungen Schützling auf der Dachbahn im Kreis laufen zu lassen.
    »Nein«, sagte er in gebrochenem Englisch. »Der Läufer muss am ganzen Körper stark sein.« Deshalb absolvierte Moriarty täglich ein strenges, vom großen deutschen Sportpädagogen Jahn entwickeltes Trainingsprogramm.
    Wiewohl New York in läuferischer Hinsicht sehr viel weniger zu bieten hatte als auf der Bühne, fanden wöchentlich Wettrennen zwischen Einheimischen und manchmalauch gegen auswärtige Läufer statt, die aus New Orleans, St. Louis, Chicago oder Boston anreisten.
    1857 trat Moriarty in drei Wettläufen über 800 Meter und eine Meile siegreich gegen einheimische Herausforderer an und bescherte sich und seinen Wettern insgesamt 5000 Dollar. Am Ende des Jahres lief er 1200 Meter gegen den irischen Champion Muldoon, den er an der Ziellinie mit nur einem Meter Vorsprung besiegte. Der New Yorker Ire forderte eine Revanche über die gleiche Distanz, und am 1. Januar 1858 versetzte Moriarty Muldoon auf der Zielgeraden den Todesstoß und gewann klar mit zehn Metern Vorsprung.
    Barnum, der ausgebuffteste von Moriartys Mentoren, riet ihm, sich das Jahr über rar zu machen und auf die hochdotierten Läufe gegen auswärtige Kontrahenten zu warten. Und so trat Moriarty im Frühjahr des Jahres 1858 in dem irischen Schwank Tom the Taylor und als Demetrius in Ein Sommernachtstraum auf und trainierte nebenher täglich am Institut.
    Auch sonst

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