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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gehabt, doch auf eine diffuse, abstrakte Art, und außerdem hatten seine Schauspielkarriere einerseits und sein sportliches Talent andererseits ihn vollkommen in Beschlag genommen.
    Doch obwohl das sexuelle Begehren nun in ihm geweckt war, hatte es weder etwas Willkürliches noch etwas Promiskuitives, denn solange die Ladys zu ihm kamen und ledig waren, war es in seinen Augen auch völlig in Ordnung, mit ihnen zu schlafen.
    Von Beginn seiner Laufkarriere an war einer von Moriartys größten Förderern der umtriebige Showman Phineas T. Barnum gewesen. Für Barnum, der selbst mit Sport nichts am Hut hatte, war das ganze Leben ein Spiel. Wie sollte es für einen Mann, der aus eigener Kraft das American Museum hochgezogen und das amerikanische Publikum mit Sensationen wie dem Zwerg General Tom Thumb und der Sängerin Jenny Lind erfreut hatte, auch anders sein? Seit ihrem ersten Zusammentreffen hatte Barnum Alan Cameron und dessen frühreifen Jungen ins Herz geschlossen und dem jungen Moriarty die Gelegenheit gegeben, sich bei den Künstlern seines Museums eine Menge abzuschauen. Als sich herausstellte, dass Moriarty ein Talent fürs Laufen hatte, hatte ihn Barnum neben Edwin Booth am eifrigsten gesponsert und bei den Handicap-Rennen in Boston und Pittsburgh sowie bei den Zweikämpfen eine Menge Geld mit ihm gemacht. Bisher hatte er der Versuchung widerstanden, Moriarty gegen die ganz harten Jungs antreten zu lassen, gegen die »Cracks« der Ostküste oder die reisenden englischen Profis. Doch jetzt sagte ihm sein sechster Sinn, dass der junge Schotte bereit war für einen der ganz großen Läufer – das würde richtig hohe Quoten geben, denn Moriartys Potential war längst noch nicht ausgereizt.
    Also wurde im Dezember 1858 ein Wettlauf gegen den Franzosen Yves Latour arrangiert, der im Februar des folgenden Jahres stattfinden sollte.
    In den Südstaaten hatte Latour seine Kontrahenten nur so von der Bahn gefegt, in New Orleans sogar gegen ein Pferd gewonnen (in vier Runden gegen acht) und dabei die Meile in viereinhalb Minuten gemacht, was in den Vereinigten Staaten noch keinem Läufer gelungen war.
    Der aus dem Baskenland stammende Franzose hatte wie viele seiner Landsleute als Springer angefangen, es im Jahr 1853 mit noch nicht einmal 20 Jahren im Hochsprung auf 1,70 Meter und im Weitsprung auf 6,50 Meter gebracht und damit den Rekord an der Ostküste errungen. Dann hatte eine Fersenverletzung seiner Springerkarriere ein Ende gesetzt, und er hatte sich auf den Mittelstreckenlauf verlegt. Sofort war klar gewesen, dass Latour für diese Disziplin geschaffen war: Auf der Rennbahn von New Orleans war er seine erste Meile unter fünf Minuten gelaufen. Bis 1856 blieb er ungeschlagen und kam mit über 10   000 Dollar nach New York. Für den Wettkampf, der am 4. Februar auf der Rennbahn von Manhattan Island stattfinden sollte, erzielten Barnum und Booth Quoten zwischen drei und fünf zu eins gegen Moriarty.
    Das Rennen gegen Latour fand an einem der kältesten Tage eines trüben, verschneiten Februars statt. Phineas T. Barnum einigte sich mit Latours Sponsoren auf Einsätze von 500 Dollar, und gemeinsam sorgten sie für eine ebene Strecke aus gewalztem Schnee. Um zwei Uhr nachmittags standen Moriarty und Latour mit erhobenen Armen an der Startlinie, zwei erstarrte Gestalten in einer erstarrten Landschaft. Dann taumelten dicke Flocken vom Himmel und legten sich auf die beiden Läufer und die 2000 Zuschauer, die sich entlang der Bahn und auf dem weichen Schneebuckel im Innenfeld drängten.
    Das Meilenrennen entsprach einer Runde entlang des Manhattan Race Course. Als der Startschuss ertönte, gingder Franzose sofort in Führung. Seine Gönner hatten sich über den jungen New Yorker ein wenig schlau gemacht: Er war ein Neuling, war bisher nur gegen Lokalgrößen angetreten und niemals wirklich an seine Grenzen gebracht worden. Zudem war Moriarty Schauspieler, also bestimmt kein Kind von Traurigkeit, und würde nicht den nötigen Mumm für ein wirklich hartes Rennen haben. Also war Latour angehalten worden, von Anfang an Druck zu machen. Der Franzose in langärmligem schwarzem Hemd und schwarzen Long Johns pflügte ein paar Meter vor Moriarty durch den Schnee, und der Atem stieg in weißen Wolken über ihnen auf, während sie durch den dünnen Winternebel trabten. Der Untergrund war erstaunlich gut, obgleich beide Männer spürten, wie die Kälte durch die Schuhsohlen ihrer dünnen Mokassins kroch. Als sie an der

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