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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Bühnenerfahrung mit sportlicher Frische wett. Für den fliegenden Puck hatte Alan Cameron eine Reihe unsichtbarer Zugvorrichtungen und kleine versteckte Trampolins konstruiert, und Douglas’ Flüge wirkten derart echt, dass sie das Publikum zu Ausrufen des Erstaunens und lautem Applaus hinrissen.
    Anfang des Jahres 1852 bekam Moriarty eine neue Mutter in Gestalt von Mary Sweeney, einer jungen Sängerin aus Kerry, die es als »irische Nachtigall« an der amerikanischen Ostküste zu einiger Berühmtheit gebracht hatte. Obgleich Mary ebenso wie ihr Mann an schottischer Erziehung festhielt, hatte sie für Moriartys Theaterbegeisterung Verständnis. Unter ihrer geduldigen Anleitung lernte Moriarty singen und machte sich mit dem Vortrag komischer Monologe vertraut.
    Im Mai 1852, fast zeitgleich mit der neuen Wendung in Moriartys schauspielerischem Werdegang, starb sein früherer Lehrer Junius Brutus Booth. Moriarty hatte den wunderlichen alten Mann gern gehabt und verehrt.
    Im selben Jahr hatte Moriarty zum ersten Mal Gelegenheit, sein sportliches Talent unter Beweis zu stellen. Bei den New Yorker Kaledonischen Spielen in Myrtle Gardens gewann er mit großzügiger Vorgabe einen Handicap-Jugendlauf über 800 Meter.
    Seit seinem elften Geburtstag war Moriarty Mitglied des nur wenige Blocks entfernten Deutschen Turner-Instituts gewesen. Angestachelt von den physischen Herausforderungen der Sportschule mit ihren Recks und Barren und Pferden, hatte er auf dem Dach der Schule eine 145 Meter lange kreisförmige Laufbahn entdeckt und war von Herrn Steinbach, dem untersetzten, schnauzbärtigen Trainer und Institutsdirektor, bestärkt worden, jeden Tag ein paar Meilen darauf zurückzulegen. Mit 13 war er, gestoppt von Herrn Steinbach, auf den engen Kurven der Schulbahn eine Meile in knapp über sechs Minuten gelaufen.
    Die Preise bei den New Yorker Kaledonischen Spielen fielen großzügig aus, was bei über 20   000 Besuchern und Eintrittspreisen von bis zu 50 Cent nicht verwunderlich war. Zum ersten Mal bekam der junge Moriarty echte Profiläufer zu Gesicht, Männer, die mit Laufen ihr Geld verdienten und von der gesamten Ostküste nach New York strömten, um sich die üppigen Preisgelder zu sichern.
    Doch so gut die schottischen Auswanderer in ihren traditionellen Wurf- und Sprungdisziplinen abschnitten, mit den eingefleischten Spitzenläufern aus St. Louis und Chicago, die fast 100 Meter in der Sollzeit machten und für eine Meile weniger als fünf Minuten brauchten, konnte kaum einer mithalten.
    Auch bei den Kaledonischen Spielen in Boston und Chicago 1853 und 1854 trat Moriarty erfolgreich an. Nachdem er 1854 abermals den New Yorker Jugend-Meilenlauf mit geringem Handicap gewann, beschloss er 1855, ohne Vorgabe gegen erwachsene Männer anzutreten. Er war jetzt fast 1,80 Meter groß und durch die Jahre am Institut breitschultrig und muskulös geworden, und eine schwarze Lockenmähne umrahmte sein sommersprossiges Gesicht mit den funkelnden blauen Augen. Moriarty sah stets so aus, als hätte er gerade einen Witz gehört oder wäre drauf und dran, einen zu erzählen. Durch seine Sportbegeisterung und die Jahre strenger schottisch-calvinistischer Erziehung unter Mr. McCanna hatte er sich eine bei Theaterleuten äußerst seltene Arglosigkeit und Unschuld bewahrt.
    Und so trat der fast schon erwachsene Moriarty 1855 beim Open-Mile-Rennen der Herren gegen den Halbblutindianer Steeprock und den soeben in Amerika eingetroffenen schottischen Läufer Ewan McIlwain an.
    Vor 25   000 Zuschauern und angefeuert von seinem Vater, den beiden Booth-Söhnen Edward und John Wilkes und dem Großteil der New Yorker Theaterszene blieb Moriarty Steeprock und McIlwain in den ersten drei Runden dicht auf den Fersen. Dann, als die Trompete die letzte Runde ankündigte, schlug er alle Vorsicht in den Wind und kämpfte sich nach vorn. Damit hatten die beiden Läufer, die sich bereits auf den Sieg von McIlwain »geeinigt« hatten, nicht gerechnet. Der dunkelhäutige Indianer Steeprock konterte sofort, und seine langen Beine ließen Moriartys vier Meter großen Vorsprung zusammenschmelzen. In seinem Windschatten stob der Veteran McIlwain mitgerade einmal 30 Zentimeter Abstand die Gegengerade entlang.
    Dann passierte es. In der letzten Kurve, in der nur zwei Meter die drei Männer trennten und Moriarty mit aller Kraft seinen hauchdünnen Vorsprung zu verteidigen versuchte, streckte Steeprock die Hand aus und streifte Moriartys aufschnellende rechte Ferse.

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