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Finish - Roman

Finish - Roman

Titel: Finish - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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willst mir erzählen, ich hab’ die letzten drei Jahre mit einem Typen verbracht, der eine Rasierklinge im Allerwertesten stecken hatte?«
    Billy Joe nickte. »Ganz genau, und du kannst verdammt froh drüber sein.«
    Buck zog die Mundwinkel breit und biss sich auf die Unterlippe. »Ist das nicht … saumäßig unbequem?«
    Billy Joe schüttelte den Kopf. »Das ist ja nicht wie dein Sears-Roebuck-Rasierer – was glaubst du eigentlich, was ich für ein Arschloch habe?«
    »Hab noch nicht drüber nachgedacht, zumindest bis jetzt nicht«, antwortete Buck.
    »Schau mal«, sagte Billy Joe und hielt die Klinge hoch. »Die ist nur an einer Seite scharf – das ganze verdammte Ding ist nicht mehr als fünf Zentimeter lang und ’nen guten Zentimeter breit. Und ich hab’s in Leder eingewickelt« – er hielt einen dünnen Lederstreifen hoch –, »ganz dünn gegerbt. Wie dem auch sei, glaub mir, Buck, nach meiner Erfahrung ist das menschliche Arschloch erstaunlich flexibel.«
    »Klingt so«, sagte Buck und beäugte angeekelt den Lederstreifen. »Aber darf ich dich fragen, wie’s mit deiner Ausscheidung aussieht?«
    »Du meinst scheißen? Ist doch klar, dass ich sie dann rausnehme, sonst fällt sie doch jedes Mal ins Klo.«
    Nickend goss Buck seinen letzten Rest Kaffee ins Feuer.»Eins möchte ich noch wissen, Billy Joe. Wie wolltest du denn da hinten rankommen, mit gefesselten Händen und alles?«
    »Das wär natürlich mordsschwierig gewesen. Vor allem muss man verdammt gelenkig sein. Ich hab das Hunderte Stunden geübt – Kansas City, Ellsworth, Wichita, überall.«
    »Und nur dafür?«
    »Es hätte noch mal nützlich werden können! Wir hätten im Knast landen können oder sonstwo. Ich sag’s dir, Buck, das ist ein echtes Ass im Ärmel.«
    Buck dachte einen Moment lang nach. »Du musst mir nur eins versprechen, Billy Joe.«
    »Was du willst, Buck.«
    »Solltest du auf die Idee kommen, da drin Proviant zu verstauen, Dörrfleisch oder so, dann ohne mich.«
    »Abgemacht«, sagte Billy Joe und schüttete seine Kaffeebohnen ins Feuer.
    Buck stand auf und sah zu Billy Joe hinunter.
    »Und wenn du noch mehr Überraschungen dieser Art auf Lager hast, ’ne Derringer im Ohr oder ein Bowiemesser im hohlen Zahn, dann sag mir vorher Bescheid, und zwar rechtzeitig.«
    Cheyenne, 10. Juni 1876
    Vorsichtig stand Moriarty auf und schlich leise zur Waschschüssel, die in der Schlafzimmerecke stand. Er vermied es tunlichst, mit dem ganzen Fuß aufzutreten, denn der 800-Meter-Handicap-Lauf vom Vortag saß ihm noch immer schmerzhaft in den Achillessehnen. Es war dumm und eitel von ihm gewesen, Vorgaben bis zu 150 Metern zu gewähren, und kurz vor dem Ziel hatte ihn tatsächlich ein milchgesichtiger sechzehnjähriger Cowboy aus Wyoming weggeputzt, dem er 80 Meter vorgegeben hatte.
    Moriarty stöhnte, als seine Ferse eine lose Diele berührte und der Schmerz ihm durchs Bein schoss.
    »Hast du dir weh getan?«, fragte Eleanor schläfrig vom Bett aus.
    »Nein.« Moriarty wandte sich zu ihr um. »Manche Körperteile wachen nur schneller auf als andere, und die Gliedmaßen, die der Fortbewegung dienen, brauchen ein bisschen länger, das ist alles.«
    Er betrachtete sich im Spiegel. Sein Gesicht war erstaunlich glatt, fast kindlich, nur die schwarzen Locken waren inzwischen von grauen Strähnen durchzogen. Doch sein Haupthaar bereitete Moriarty keine Sorgen. Es war ein einzelnes weißes Schamhaar gewesen, das er vor ein paar Monaten in San Francisco entdeckt hatte, welches ihm die eigene Sterblichkeit vor Augen geführt hatte. Ein völlig unerwartetes und deshalb umso unangenehmeres Gefühl. Und jetzt hatte ihn ein Milchbubi auf 800 Meter vernascht. Er starrte in den Spiegel und fuhr sich durchs grauschwarze Haar und übers stoppelige Kinn.
    »Bald seh ich aus wie ’ne Dörrpflaume«, sagte er.
    »Ich liebe Dörrpflaumen«, murmelte Eleanor.
    »Ich werde alt, Eleanor. Ich bin nicht mehr der Mann, der ich vor zehn Jahren war.«
    Eleanor setzte sich auf, stieg aus dem Bett und streifte sich den Morgenmantel über. »Du bist auch nicht mehr derselbe, der du vor zehn Minuten warst.« Sie stellte sich neben ihn und sah in den Spiegel. »Du bist 39«, sagte sie.
    »Bin ich gar nicht! Ich bin 38.«
    Sie ging zu ihrer Frisierkommode neben dem Bett. Moriarty spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht.
    »Vor zehn Jahren hätte ich mit den Besten mithalten können, Deerfoot, der Hirsch von Suffolk, das Norfolk-Huhn …«
    »Ich weiß«, sagte Eleanor und

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