Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriane Angelowski
Vom Netzwerk:
haben mit Sicherheit Kontakte in hilfreiche Kreise.«
    »Ich würde es selbst erledigen«, sagte Anna mit fester Stimme.
    »Selbst? Kindchen.« Iska stellte ihre Tasse ab. »Wie denn?«
    »Überfahren. Mit Vollgas auf ihn zu. Frontal! Bumm! Ende.«
    Die Entschlossenheit in Annas Stimme erschreckte Iska. »Das ist doch Unsinn. Das erfordert Mut und Kaltblütigkeit, und außerdem kann es passieren, dass du ihn nicht richtig erwischst, und dann? Am Ende fährst du irgendwo gegen und bist selbst tot!«
    »Ich würde ihn richtig erwischen, verlass dich drauf. Und wenn nicht, wäre es mir auch egal.«
    »Sag so etwas nicht!«, rief Iska.
    Die beiden Frauen saßen einen Augenblick schweigend am Tisch.
    »Nein«, nahm Iska den Faden wieder auf, »das Risiko, dass es nicht klappt, wäre mir zu groß. Ich würde einen anderen Weg wählen, die Öffentlichkeit mobilisieren, die Menschen wachrütteln, ihnen klarmachen, dass ein Mörder in ihrer Nachbarschaft lebt. Ihn denunzieren, dafür sorgen, dass er keine ruhige Minute hat.«
    Anna sagte nichts.
    »Und wenn ich mich schon rächen würde«, fuhr Iska fort, »dann so, dass Dallinger an Ivos Martyrium erinnert wird, verstehst du? Wenn, dann wollte ich, dass er das Gleiche durchmacht wie unser Junge.«
    »Halb totgeschlagen in einer Kiste verrecken?«
    Iska schluckte, manchmal ging ihr Annas direkte Art wirklich auf die Nerven. Sie seufzte. »Ich muss los. Mein Hund wartet.«
    »Bleib noch einen Moment«, schlug Anna vor. »Ich räume kurz die Küche auf und bring dich dann zum Bus. Die frische Luft wird mir guttun. Und überleg dir, ob du Lust hast, mal mit mir in meine Selbsthilfegruppe zu kommen. Ich würde mich freuen.«
    Als Anna in der Küche verschwunden war, stand Iska auf, ging zur Diele und öffnete die Tür neben der Küche, hinter der sie das Badezimmer vermutete.
    Der Raum war klein. Ein massiver Schreibtisch, der von Papieren überfrachtet war, stand quer vor dem Fenster. Iska öffnete die Tür weiter und machte Licht. An sämtlichen Wänden hingen handgeschriebene Notizen, groß kopierte Zeitungsartikel und Fotos in allen Größen. Sie zeigten immer den gleichen Mann. Mal bunt, mal schwarz-weiß. Über einem Sideboard dominierte ein riesiger Wandkalender. Vergangene Tage waren mit einem grünen Textmarker durchgestrichen.
    Lose Unterlagen bedeckten beinahe das gesamte Laminat. Iska ging in die Hocke, nahm ein Blatt auf und überflog die Zeilen. Es handelte sich um die Beschreibung eines Falls, ausgedruckt aus dem Internet. Ein Mann hatte ein Mädchen sexuell missbraucht und war mit einer Bewährungsstrafe davongekommen. Die Beweislage hatte anscheinend nicht für eine Haftstrafe gereicht. Iska legte den Zettel zurück und richtete sich auf. Sie schwankte leicht.
    »Was machst du in meinem Arbeitszimmer?«
    Iska hatte Anna nicht kommen hören. »Ich habe das Bad gesucht …«
    Anna trat zur Seite und zeigte auf die Diele. »Es ist gegenüber.«
    Iska rührte sich nicht. »Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie mit trockenem Mund. »Hier sieht es aus wie in einem Büro der Sonderermittlung bei der Polizei.«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Ich verurteile dich nicht«, sagte Iska schnell. »Ich weiß nur nicht, ob das gut ist, was du hier machst.«
    »Lass das meine Sorge sein.«
    Iska ging an Anna vorbei und trat auf den kleinen Flur. »Unser Gespräch eben war doch hypothetisch, nicht wahr?«
    »Du verpasst deinen Bus«, erwiderte Anna und reichte Iska Jacke und Regenschirm.
    Die Umarmung an der Haustür war distanziert.
    »Bist du mir böse?«, fragte Iska.
    Anna versuchte zu lächeln. »Es gibt andere Menschen, denen ich böse bin.«
     
    Liebe Mutter,
    natürlich bin ich ein wenig enttäuscht, dass ihr mich nicht besuchen kommt, aber klar, das Geschäft und euer Umzug gehen vor. Ich würde nur gerne mal wieder ein gepflegtes Gespräch führen und, wie gesagt, Zigaretten (ja, ich weiß, dass ich dich enttäusche, weil ich wieder rauche!) wären schön! Süßigkeiten bitte nicht! Ich habe mir vorgenommen, die Zeit in dieser Einrichtung zu nutzen, um abzunehmen. Vierzig Kilo habe ich mir vorgenommen! Was sagst du dazu?
    Ansonsten löst hier eine Hiobsbotschaft die nächste ab.
    Verlegt werde ich nämlich erst einmal nicht! Angeblich, weil andere Gefangene zuerst dran sind. Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien die hier vorgehen, aber ICH werde ständig schikaniert. Irgendein Idiot hackt immer auf mir rum, und damit meine ich nicht nur die blöden Sprüche, die

Weitere Kostenlose Bücher