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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriane Angelowski
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ich mir andauernd anhören muss.
    Erst vorgestern hat so ein Arsch mich bei der Essensausgabe angerempelt. Der Eintopf flog durch die Kantine, und ich habe mich an der Hand verbrannt. Ich meine, das ist doch keine Lappalie!! Aber meine Proteste verhallen ungehört. Der Gefängnisverwaltung scheint es egal zu sein, beziehungsweise habe ich meine Zweifel, ob die diensthabenden Wärter solche Zwischenfälle überhaupt weiterleiten. Für die bin ich doch auch der letzte Abschaum, weil ich ein Kind getötet habe. Dabei habe ich den Jungen ja nicht umgebracht, jedenfalls nicht so, wie die Blödmänner denken. Aber solche feinen Unterschiede werden hier nicht gemacht! Da könnte ich kotzen.
    Egal, ich weiß mich zu wehren, ich schreibe alle Verstöße auf und leite sie in ziemlicher Regelmäßigkeit an Büttner weiter. Ich will ja schließlich nicht so enden wie der Typ in der JVA Siegburg damals, weißt du noch, den haben seine Zellennachbarn dazu gebracht, sich selbst aufzuhängen. Da können die lange warten! Nicht mit mir!
    Vielleicht kannst du dich ja auch mal mit der Gefängnisleitung in Verbindung setzen und ein bisschen Druck machen, ich meine, wenn ihr mich schon nicht besuchen kommen könnt … Schaden könnte es nicht!
    Die Therapie mache ich weiter. Allerdings ist Dr. Uhlmann gegangen, und nun bin ich bei Dr. Peters, genau genommen: Prof. Peters, und er besteht darauf, dass ich ihn mit seinem vollen Titel anspreche. Warum auch nicht, immerhin hat er ein Recht darauf. Er ist nicht gerade sympathisch, ich habe immer das Gefühl, dass er mich aufs Glatteis führen will.
    Ich finde es übrigens gut, dass ihr von Cuxhaven wegziehen wollt. Ich werde da nach meiner Entlassung wahrscheinlich auch nicht wieder hingehen, ich wollte ja damals genauso wenig aus Bremen weg wie du.
    Jedenfalls war der Umzug damals eine Katastrophe für mich, da bin ich mal mit Prof. Peters einer Meinung. Die Urlaube vorher waren schon schrecklich, aber dieser Umzug …
    Weißt du noch, diese endlosen Sommerferien. Wattwürmer und Kugelbake. Noch nie habe ich dieser Region etwas abgewinnen können. Nicht einmal als Kind. Damals sind wir ja schon immer in den Ferien hingefahren. Wenn ich nur an diese endlosen Radtouren und Wattwanderungen denke. Und dieser Sand, der einem in jede Pore wehte. Stundenlange Sandbuddeleien waren auch nicht mein Ding. Jedes Mal habe ich geweint, wenn es in die Ferien ging, ich wäre einfach lieber zu Hause geblieben.
    Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich den Sommer in meinem Zimmer verbracht und Superman-Hefte gelesen. Aber es ging ja nicht nach mir. Damals genauso wenig wie heute, das wird mir immer klarer. Zudem war Vaters Wort Gesetz: Im Sommer fahren wir an die Nordsee. Ende der Diskussion. Und der Kinderarzt hatte dir wegen meiner schlimmen Neurodermitis und den beknackten Asthmaanfällen zur Seeluft geraten. Damit war die Sache doppelt besiegelt.
    Für mich waren diese Urlaube der reinste Horror. Vier Wochen unter Dauerbeobachtung, das war nahezu Stress pur, ich bekomme heute noch ein merkwürdiges Beklemmungsgefühl, wenn ich nur daran denke. Dazu kam, dass ich mich vor dem Meer fürchtete, ich habe dir mal davon erzählt. Du hast gelacht und mich Dummerchen genannt. Aber es war mein Ernst. Das Meer finde ich heute noch ätzend, da ich nicht schwimmen kann und schon damals nie ins Wasser ging.
    Und dann diese nervigen Schiffstouren. »Der Junge ist völlig verweichlicht«, schimpfte Vater regelmäßig, erinnerst du dich? Na ja, jedenfalls war der Umzug so ungefähr das Letzte, womit ich gerechnet hatte. Die Vergangenheit ist jedenfalls Thema in der Therapie, und einige Sachen, die der alte Professor von sich gibt, sind ganz interessant, auch was euch betrifft und Oma, die einfach viel zu früh gestorben ist.
    Dass ich schon als kleiner Junge Hunde, Karnickel und Katzen gequält habe, stimmt nur zum Teil. Richtig angefangen habe ich damit erst in Cuxhaven. Aber ehrlich gesagt, was spielt das für eine Rolle?
    Für heute ist es genug, gleich kommt Pfarrer Steeger. Er versucht mir einzureden, dass Gott besonders seine verlorenen Schafe liebt. Hält er mich etwa für verloren? Sehr interessant. Ach, da fällt mir ein, dass ich Pfarrer Pauli geschrieben habe, immerhin war ich ja einige Jahre Messdiener, aber er hat bis jetzt nicht geantwortet. Vielleicht hat er einfach zu viel um die Ohren, oder er will nichts mit »verlorenen Schafen« zu tun haben. Wer weiß das schon!
    Ich melde mich wieder und freue

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