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Finkenmoor

Finkenmoor

Titel: Finkenmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myriane Angelowski
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Leben irgendwann wirklich ein Ende setzt.«
    »Hat sie wieder etwas in diese Richtung geäußert?«
    »Nein. Sie spricht ja kaum noch mit mir. Seit Wochen lässt sie niemanden mehr in ihre Wohnung. Und wenn sie mich mal hereinlässt, ist sie abweisend. Ich habe manchmal das Gefühl, dass sie gar nicht wirklich anwesend ist.«
    »Wie meinst du das?«
    Iska suchte nach Worten. »Sie sitzt einfach da, wie weggetreten. Oder sie bemalt Tontöpfe. Im Wohnzimmer stapeln sich mittlerweile mindestens fünfzig Stück.«
    Phyllis runzelte die Stirn. »Hast du sie darauf angesprochen?«
    »Nein.«
    »Regelt sie denn die alltäglichen Dinge? Ich meine, steht sie morgens auf, wäscht sie sich, geht sie einkaufen?«
    »Ja, doch.«
    »Soll ich mal mit ihr reden? Du weißt, dass wir uns immer gut verstanden haben.«
    »Das ist eine gute Idee.« Iska lächelte. Zum ersten Mal an diesem Abend.
    »Okay. Dann fahre ich in den nächsten Tagen bei ihr vorbei.« Phyllis trank einen Schluck alkoholfreies Bier. »Besucht Norma noch ihren Therapeuten?«
    »Keine Ahnung.«
    »Dann ruf ihn doch einfach mal an. Du bist ihre Mutter, Norma hat versucht, sich das Leben zu nehmen. Kein Wunder, dass du dir Sorgen machst, oder?«
    Sie bestellten Eis zum Nachtisch. Iska wirkte gelöster. Erst als sie sich verabschiedeten, legte sich wieder die Schwere auf ihre Gesichtszüge. »Ich verkrafte es nicht, wenn Norma sich etwas antut. Einen weiteren Schicksalsschlag überlebe ich nicht.«
     
    Liebe Emily,
    es tut mir schrecklich leid, dass du den weiten Weg umsonst gemacht hast. Du kannst dir sicher vorstellen, wie sauer ich war. Nicht auf dich, sondern auf diese blöden Beamten, die einfach in Willkür handeln. Eine kleine Formalität nicht beachtet und WUM! – keine Chance, dass sie ein Auge zudrücken. Bei den meisten ist es jedenfalls so. Natürlich können Besuche von »Nichtverwandten« verboten werden, das stimmt. Ich habe kein Recht auf Besucher (das musst du dir mal vorstellen), wenn von ihnen ein schädlicher Einfluss ausgeht, Paragraf 25 Nr. 2 StVollzG. Ich könnte kotzen! Natürlich kannst du jetzt den Rechtsweg beschreiten, das heißt, Büttner würde das übernehmen. Angeblich haben sie dich ja nur deshalb nicht reingelassen, weil du dich geweigert hast, eine Leibesvisitation vornehmen zu lassen. So gesehen ist ja kein generelles Besuchsverbot gegen dich ausgesprochen worden, sondern dir wurde lediglich der Zutritt an diesem Tag verwehrt.
    Also, ich glaube, das kriegt Büttner hin. Soll ich ihn fragen?
    Es tut mir so leid, dass du so viel ertragen musst. Für dich ist das mit Sicherheit alles sehr schwer, denke nicht, dass ich mir darüber keine Gedanken mache. Nur, ich würde dich halt so gerne sehen. Außerdem ist die Vorstellung, endlich mal mit einem lieben Menschen reden zu können, ein ungemeiner Sog für mich. Klar, ich habe die Therapiegespräche, aber hier so mit den Knastis, das ist in der Regel alles ziemlich niveaulos.
    Und denk daran: Wenn du noch einmal kommst und mir etwas mitbringen willst, musst du vorher einen Antrag stellen. Ansonsten filzen sie dich schon an der ersten Schleuse. Du hast ja gesehen, was sie mit dem Kuchen gemacht haben, den du für mich gebacken hattest. Ab in die Tonne! Am besten bringst du mir gar nichts mit. Im Besucherraum stehen Süßigkeitenautomaten. Wenn du Kleingeld dabei hast und mir da ein paar Nüsse ziehst, bin ich happy.
    Dein Eindruck ist richtig. Die JVA ist ziemlich heruntergekommen. Dabei hast du noch den besseren Teil gesehen. Ich finde, in den Gängen, Zellen und Schleusen weht immer noch Fritz Haarmanns Geist, man hat das Gefühl, dass sich seit diesem Serientäter hier nicht viel verändert hat.
    Aber genug davon.
    Büttner hat angedeutet, dass es sein kann, dass sich die Tore der JVA in absehbarer Zeit für mich öffnen. Du spielst dabei auch eine Rolle. Die psychologischen Gutachter werten unsere Beziehung als positiv und haben eine gute Prognose gestellt. Trotzdem bin ich verhalten. Wer weiß, was wieder alles dazwischenkommt. Ich tue gut daran, meine Hoffnungen nicht zu hoch zu schrauben. Bisher bin ich doch meistens enttäuscht worden, wenn ich mich auf etwas gefreut habe.
    An der Anti-Aggressionsgruppe nehme ich jetzt auch teil. Anfangs hatte ich keine Lust, mir die Pseudo-Erkenntnisse von anderen reinzuziehen, geschweige denn, mich selbst mitzuteilen. Aber so übel sind die Settings gar nicht, und ich will unbedingt draußen klarkommen!
    Anderes Thema: Über zwanzig Kilo

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