Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
vor, also nahmen wir eine andere Identität an. In dieser Zeit hier ist es wirklich lächerlich einfach, Ausweispapiere zu fälschen.“
„Und was ist mit meinen Freunden?“, fragte Tom, der die ganze Geschichte atemlos mit angehört hatte.
„Ach Junge.“ Michael schüttelte betrübt den Kopf. „Wir fanden eure Spur und schließlich dieses Haus hier – ein paar Leute gibt es doch immer, die aufpassen. Der Lehrer von der Schule hier um die Ecke weiß zum Beispiel, dass es da einen Jungen gibt, der wohl heimatlos ist, aber sehr gerne liest. Er hat immer absichtlich den Raum mit den Bücherregalen offen gelassen, nachdem er mitbekam, dass der Junge sehr sorgsam mit den Büchern umgeht und sie auch immer wieder zurück bringt. Er tut immer so, als merke er das nicht, aber ihm war klar, dass er hier in der Nähe leben musste.“ Finn lächelte, als er an Rudolf denken musste. So also war der große Junge immer an die Bücher gekommen.
„Und dann war da noch ein junges Dienstmädchen, das bei einem Bäcker angestellt ist, bei dem ihr wohl immer Brot aus der Kiste für die Schweine geholt habt. Sie hat jeden Tag Ausschau nach euch gehalten, und eines Abends ist sie euch hinterher gelaufen und hat dieses Haus ebenfalls gefunden. Als wir hier mit unserem Auto auf der Suche nach eurem Unterschlupf waren, war sie gerade unterwegs zu euch. Sie hat sie uns entdeckt und uns zur Rede gestellt. Ich kann dir sagen, Finn, deine Rosie hat wirklich viel Mut.“ Er kratzte sich den Hals. „Sie hat uns fast so sehr ausgeschimpft, wie Lucy kurze Zeit später. Aber schließlich haben wir es doch geschafft, alle Kinder zu überzeugen, sich einem Erwachsenen anzuvertrauen. Ihr scheint da einen ziemlich guten Freund zu haben – Anton, den Fleischer, stimmt’s?“
„Anton!“, rief Finn überrascht aus. „Die anderen sind bei Anton?“
„Vorgestern sind sie zu ihm gegangen, ja“, berichtete Michael. Aber dann stellte sich heraus, dass deine Rosie eine noch viel bessere Idee hatte. Ihre Dienstherren sind kinderlos, und nach allem, was ich gehört habe, wohnt der kleine Mark jetzt bei ihnen. Er scheint sehr niedlich zu sein, und sie mögen ihn wohl sehr gerne. Vielleicht können sie ihn adoptieren.“
„Aber die anderen?“, fragte Finn. „Die sind bei Anton?“
„Nein, nur Justus ist noch dort“, sagte Michael, und zum ersten Mal lachte er richtig. „Er scheint sich dort sehr wohl zu fühlen, und Anton sagte, er würde Justus gerne zu sich nehmen. Er gedenkt nämlich, demnächst zu heiraten. Eine junge Dame aus Burgfeld, namens…“
„Anna“, riefen Finn und Tom wie aus einem Mund.
„Ja, stimmt!“ Michael sah die Kinder an und grinste. „Er sagte, für eigene Kinder sei es ja vielleicht schon ein wenig spät, aber Justus passe wohl genau zu ihnen, und wenn die beiden erst einmal verheiratet seien, würde es ja auch kein Problem sein, den Jungen endgültig zu sich zu nehmen.“
„Und wo sind Lucy und Rudolf?“, fragte Tom atemlos.
„Ja, was das angeht, da hat noch keine wirklich gute Lösung gefunden“, gab Michael zu. „Sie weigerten sich beide, bei Anton zu bleiben, also haben wir sie zuerst einmal überredet, zu Fräulein Winter ins Waisenhaus zu ziehen. Gestern Nachmittag hat Anton sie hingebracht – ich selber wollte mich dort lieber nicht sehen lassen, nach dem, was ich mit dir angestellt habe. Das Geld war ja nicht so ein Problem, davon habe ich genug. Also habe ich Anton einfach genügend Geld für ihre Unterbringung mitgegeben.“ Er zwinkerte. „Wie in einem Hotel, oder?“
Eine Weile schwiegen alle und dachten über das Gehörte nach. Dann räusperte sich plötzlich Herr von Anbach.
„Ich denke“, sagte er mit belegter Stimme, „dass sich da auch Möglichkeiten für die beiden verbleibenden Kinder ergeben. Meine Frau beispielsweise hat es immer bedauert, nur ein Kind zu haben. Eigentlich hätte sie ganz gerne noch ein Mädchen gehabt. Vielleicht hätte eure Lucy ja Lust, es mal mit uns als Eltern zu probieren?“
Tom sah ihn fassungslos an.
„Und für Rudolf“, sagte Herr von Anbach schnell, „hätte ich auch schon eine Idee. Ein so kluger Junge, wie er es ganz offensichtlich ist, sollte auch die Möglichkeit haben, zu lernen, vielleicht sogar später zu studieren. Ich müsste da noch mit einigen Leuten sprechen, aber das bekomme ich schon hin, denke ich.“
„Das wäre so schön“, sagte Jacob leise, der sich aus dem Gespräch bisher herausgehalten hatte. „Dann hätten alle
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