Finn und der Kristall der Zeit (German Edition)
Alkohol ausgeben konnte. Manchmal klappte das.
Meistens aber nicht“, setzte sie leise hinzu.
„Dann wurde Lucys Mama gemein!“, ergänzte Tom. „Sie hat ihre Wut dann an Lucy ausgelassen. Deshalb ist sie irgendwann auch weg gelaufen.“
„Ich war so froh, dass ich dich wieder gefunden habe“, sagte Lucy zu Tom gewandt. „Ich hatte schon mehrere Tage draußen geschlafen, und es war sehr kalt. Zu Essen hatte ich auch nichts“, erklärte sie Finn. „Wenn man zu mehreren ist, ist irgendwie alles ein bisschen einfacher.“
„Das ist ganz bestimmt wahr!“, bestätigte Finn und fragte sich, wo er wohl jetzt wäre, wenn Lucy ihn nicht gefunden und ihm geholfen hätte. Und mit einem Mal war er sehr glücklich.
Lucy musste sich gleich am nächsten Morgen auf den Weg gemacht haben, um nach dem geheimnisvollen Stein zu suchen. Als Finn verschlafen und fröstelnd aus seinem Deckenlager krabbelte, war sie schon fort.
Die anderen Jungen hatten am Tag zuvor nicht allzu viel ‚Beute‘ gemacht, wie sie das nannten, so dass kaum noch Brot da war. Am unglücklichsten darüber war der dicke Justus, der immer am meisten zu Essen brauchte.
Tom überlegte einen Moment lang.
„Wollen wir und heute um etwas zu Essen kümmern?“, fragte er Finn.
Finn war einverstanden. Er hatte sich schon gefragt, wie das wohl funktionierte, dieses Brote-Einsammeln, hatte aber bisher nicht zu fragen gewagt.
„Ach“, erklärte Tom, „das ist ganz unterschiedlich. Es gibt zum Beispiel mehrere Bäcker, die das alte Brot für die Schweine der Bauern zurücklegen. Sie bekommen dafür ein wenig Geld von den Bauern. Wenn man weiß, wo das Brot ist, kann man sich hineinschleichen und es heimlich herausholen. Nicht alles auf einmal natürlich“, setzte er verschmitzt hinzu, „sonst merken sie das noch!“
„Aber ist das nicht eigentlich Diebstahl?“, fragte Finn beklommen.
„Irgendwie ist es das wohl“, bestätigte Tom. „Aber ich glaube, ich bin lieber ein Dieb als hungrig. Und eigentlich nehmen wir es ja auch bloß den Schweinen weg, oder? Und gegen Mittag, wenn die Märkte zu Ende sind, bekommen wir oft von den Marktfrauen etwas geschenkt, das hast du ja schon mitbekommen. Manche sind sehr nett, und besonders lieben sie natürlich Mark, du hast es ja gesehen. Wenn der die Marktfrauen so ansieht, können sie nie ‚nein‘ sagen.“ Er kicherte vergnügt.
„Und was machen wir heute?“ fragte Finn neugierig.
„Oft kann man morgens auf dem Markt mithelfen, Stände aufzubauen und Kisten zu tragen. Die Leute schenken einem eigentlich immer etwas dafür, manchmal sogar ein Geldstück. Aber heute ist es schon zu spät. Ich denke, wir versuchen es beim Bäcker.“
Schnell zogen sich die beiden Jungen an und gingen hinaus. Obwohl es, wie Tom gesagt hatte, zu spät für den Markt war, war es doch noch sehr früh und auch recht frisch. Finn fröstelte in seiner alten, dünnen Jacke, und wieder wünschte er sich die neue Jacke zurück, die Lucys Mutter ihm weggenommen hatte.
Sie kamen an einem Milchwagen vorbei, vor dem ein altes, klappriges Pferd stand und vor sich hindöste. Finn hätte das Pferd gerne ein wenig gestreichelt, wagte aber nicht, das zu sagen. Er liebte Pferde und hätte nur zu gerne mal auf einem gesessen. Zu seinem Erstaunen aber ging Tom direkt auf das müde Tier zu und tätschelte es selber liebevoll an der Nase. Das Pferd ließ sich das gerne gefallen; oder vielleicht war es auch einfach zu faul, um sich dagegen zu wehren. Auch Finn begann nun, das Tier am Hals zu klopfen und mit ihm zu reden.
Tom drehte sich mit strahlenden Augen zu ihm um.
„Ist es nicht schön?“, fragte er.
Nein, schön war dieses Pferd nun wirklich nicht, aber Finn verstand, was sein Bruder meinte.
„Ich wünschte, wir hätten etwas zu fressen für ihn“, sagte Finn.
„So wie ihr ausseht, braucht ihr wohl eher selber etwas!“, dröhnte plötzlich eine laute Männerstimme hinter ihnen. Erschrocken sprangen die Jungen zur Seite. Das Pferd aber ließ sich durch das Gepolter gar nicht stören. Ruhig und völlig unbeeindruckt stand es vor seinem Wagen und schlief einfach weiter. Als die Jungen sahen, dass der Mann nicht böse zu sein schien, wagten sie sich langsam wieder ein wenig vor.
„Na so etwas aber auch!“, lachte der Mann. „Zweimal dasselbe Gesicht, das sieht man ja auch nicht allzu häufig. Na, habt ihr Lust auf einen Schluck Milch?“
Er ging zum Wagen und hielt ihnen eine gefüllte Schöpfkelle voll Milch hin.
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