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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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Spitzeste Schuhe. Fadenkrawatten. Dazwischen auch ein paar ganz normale Menschen wie du und ich.
    Das war ja eigentlich das Schwierigste. Jedenfalls für mich. Was ziehe ich an? Ich habe mein Leben in Clogs zugebracht, die trage ich sogar bei Schnee. Aber mit Clogs auf ein Rockabilly-Festival – das konnte ich Axel nicht antun. Also laufe ich in meinen Motorradstiefeln auf und trage, durchaus angemessen, ein T-Shirt vom Open Flair Festival Eschwege. Das Shirt vom Festival 2008 , schwarz mit floralen Mustern, in die zwei kleine Totenköpfe eingefügt sind. Damit werde ich dann auch anstandslos eingelassen.
    Ich drehe eine ausgiebige Runde über die Wiese, vorbei an den Automobilen. Viivi kommt nicht mit. »Da bleibe ich mit meinen Heels stecken!« Der Preis der Schönheit. Ich bekomme von stolzen Teds Vorträge über Baujahre, Restaurationszeiten und PS -Zahlen. Dann betreten wir das Festival-Gelände. Vorne rechts ein Zelt, hinter einem großen Platz die Halle. Aber was für eine! Jede Sechziger-Jahre-Mehrzweckhalle aus Niedersachsen würde locker den Schönheitswettbewerb gegen diese Hütte gewinnen. Hölzerne Leimbinder überspannen die Halle, die Rückwand hat ein sehr eigenwilliges Farbdesign mit pastelligen Längsstreifen, und an den Seitenwänden steht je eine Reihe orangefarbener Plastikstühle. In einem Kaurismäki-Film wäre das die Szenerie einer Dorftanzstunde. An der Wand die Südstaatenflagge, circa zwei mal drei Meter, die Bühne selber in der Mitte, drei mal fünf Meter klein. Von den Seiten beschienen mit je vier »schitterigen«, also wirklich miesen 500 -Watt-Scheinwerfern, die während der Auftritte immer wieder langsam die Köpfe hängen und die Strahlen sinken lassen. Brust und Instrument, Hüfte und Schuhe der Musiker sind erstklassig bestrahlt, die Köpfe bleiben meist in einem leichten Dunkel. Draußen, vor den Fenstern, ist es durch die weiter am Himmel stehende Sonne auch um 22  Uhr noch heller als im Saal bei den Bands. Durch die Scheiben strahlt die Sonne in den Raum und möchte den Scheinwerfern helfen. Das alles wirkt wie ein viel zu schlecht beleuchtetes Schützenfest, aber alle sind gut drauf. Die Stimmung ist ausgelassen. Man kennt sich. Man bewundert sich. Die Ladys machen sich Komplimente und wedeln in der nächtlich hellen finnischen Sommerhitze mit Fächern. Die Jungs wirken kühl und lässig, manche mit einem Hauch Arroganz. Und noch eine wichtige Nachricht: Die Lederweste lebt! Hier gerne kombiniert mit Kinnbärten.
    Eine Tänzerin ist bereits in einem Zustand, den zu erreichen hier ziemlich teuer ist. Schwer angeschlagen vom Alkohol, verlangt sie aber von ihrem Partner weiter emsige Bewegung, allerdings mit einer großen Einschränkung: »
Ala pyrrika!
« Während ich sie bei ihrem nächsten Beinahsturz versuche von hinten zu stützen, da sie auf mich taumelt, übersetzt Viivi flüsternd für mich: »Don’t make me go round.« Keine Drehungen! Sie hat Glück, direkt nach dem folgenden Song ist Umbaupause. Hoffentlich trinkt sie nicht weiter.
    Wir gehen zum Wagen. Dort wartet kühles Dosenbier. Weitere Autos sind angekommen. Ein schwarzer Plymouth Fury III , ein Buick Roadmaster Coupé, ein DeSoto Firedome. Axel und Viivi treffen einen Freund, Pekka. Pekka erzählt, dass er mit drei Kumpeln morgen eine Tour nach Norwegen machen will. Nur drei oder vier Tage? Bisschen kurze Zeit für die Strecke, oder?
    »Nein, absolut kein Problem, ich bin ja der Fahrer. Nur die anderen trinken.« Allerdings gebe es noch ein anderes Problem: »Das Auto ist kaputt, irgendwas stimmt nicht mit dem Motor, aber das werde ich ihnen erst unterwegs erzählen!«
    Viivi lacht und kommentiert uns gegenüber nur lapidar: »Finnen!«
    Wir schlendern über das Gelände und nähern uns einer backenbärtigen Herrenrunde. Manche der Koteletten wirken wie vom Designer gestutzt. Einige erinnern absolut an die Heckflossen der Autos, die vor dem Festival-Gelände parken. Wieder treffen wir Freunde, Antti, Lasse und Pentti. »Von denen hatte ich erzählt«, sagt Axel.
    Ich erinnere mich. Genau. Das müssen sie sein. »Sind das die mit den Spitznamen?«
    Axel nickt.
    Vor uns stehen »Ear-Billy«, »Nose-Billy« und »Sandal-Billy«. Ich schaue nach unten. Sandalen-Billys Füße stecken in Socken und er trägt tatsächlich Sandalen. Viivi kommentiert flüsternd mit ihrer wunderbar tiefen Stimme: »He should not wear them!« Er hätte die wirklich nicht anziehen sollen!
    Wir gehen ins Alkoholzelt. Hier wird gequarzt

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