Finne dich selbst!
und gebechert. Immer wieder verwirrend für mich, Ordner vor einem Zelt zu sehen, nur weil es darin Alkohol zu trinken gibt. Immer mehr Menschen kommen auf das Gelände. Im Saal wird es merklich voller. Und noch heißer. Die Damen wedeln sich Luft zu wie sonst nur auf spanischen Ramblas im Hochsommer. The return of the Fächer. Vor mir tanzen zwei junge Frauen alle anderen an die Wand. Von den Jungs kann keiner mithalten. Die »den Mann« tanzt, sagt Axel, sei eine kleine Werbeikone in Finnland, sie macht Werbung für einen Telefonanbieter. Drall, blendend aufgelegt, dreht sie sich und ihre Partnerin. Eine Tine Wittler der finnischen Seenplatte. Maite Kelly lebt in Finnland, nah bei Lahti. Let’s dance!
Dann geht es wieder zum Auto, zur Kühltasche. Ich trinke weiter finnisches Wasser, wie schon den ganzen Abend. Dann hören wir wieder zu. Allein die Namen der Bands zeugen von der unbändigen Lebensfreude und dem Humor in dieser Musik. Heute spielen das »Flatbroke Trio«, »The Sureshots«, »Mike Bell & the Belltones« und »B. Cup & The Strapless«. Axel erklärt mir, das Flatbroke Trio spiele echten, alten Sun-Rockabilly, orientiert an der Begleitband von Elvis, nur mit Kontrabass, Lead- und Rhythmusgitarre. Ohne Schlagzeug. Der Bassist allein ist das rhythmische Rückgrat der Band. »Old school«, sagt Axel, was mit »alte Schule« nur annähernd exakt übersetzt ist.
Dann geht es irgendwann in der Nacht nach Hause. Über den finnischen Hügeln leuchtet der Mond. Die schmale Straße schlängelt sich durch die Landschaft. Im CD -Player läuft Marko Haavisto & Poutahaukat. Wir schweigen. Ich fahre nur Schritttempo. Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde jeden Augenblick ein Elch auftauchen. Ein Elch mit Rockabilly-Tolle.
Mökki, Mücken, Makkara
Freitag. Wochenende. Wir sind in das
mökki
von Viivis Eltern eingeladen.
»Können wir die denn wirklich einfach so heimsuchen?«, sorgt sich Ilse.
»Ich bleibe da nur eine Nacht«, unterstützt Hermann seine Frau.
»Da lohnt sich das Bettenbeziehen doch gar nicht«, sage ich und will damit einen Witz machen. Der wird aber so nicht verstanden.
»Deswegen hätte ich das auch lieber selber gemacht. Jetzt haben die die Arbeit mit uns. Und die kennen uns noch gar nicht!«, setzt Ilse nach.
Axel stellt noch einmal klar, dass Matti und Kati sich erstens sehr freuen würden, wenn wir ein paar Tage kämen, und sie, zweitens, beleidigt sein würden, wenn nicht, und er, drittens, auch, denn schließlich sollten wir hier ja seine gesamte finnische Familie kennenlernen, und da gehören die Schwiegereltern nun mal dazu. Wir packen das Auto. Viivi wird abends nachkommen, sie muss noch arbeiten.
»Die können aber kein Deutsch«, sorgt sich Hermann.
»Du kannst ja auch kein Finnisch«, sage ich.
»Ja, aber wie soll das denn gehen, mit dem Reden und allem?«
»Axel übersetzt.«
»Ich denke, die Sprache ist so schwer?«
»Hermann, was ist los?«
»Wir bleiben nicht lange«, sagt Hermann.
»Was soll das denn?«, frage ich.
»Ach, was sollen wir denn da?«
»Chillen!«
»Grillen?«
»Chillen, das ist Neudeutsch für nichts tun. Rumhängen.«
»Können wir hier in Laati auch.« Hermann weigert sich bis heute, Lahti richtig auszusprechen, also »Lachti«. Er sagt beständig »Laati.« Mit langem »A«. Axel und ich können noch so sehr ermahnen. Und mit Nachdruck fügt er hinzu: »Ach, und überhaupt!«
»Und überhaupt!« ist eines der wichtigsten Argumente bei Ostwestfalen. Wer das als Erster zückt, kann quasi nicht mehr widerlegt werden. Oder muss sich jedenfalls nicht mehr vom Gegenteil der eigenen Meinung überzeugen lassen. »Und überhaupt!« ist die Entsprechung zu Karl Mays »Howgh, ich habe gesprochen!«, dem endgültigen Diktum seiner Indianerhäuptlinge. Danach kann nichts mehr kommen.
In leichter Missstimmung packen wir den Wagen, heute »kein Korff«, aber natürlich fährt »de Emmer« mit. Wir laden unsere Gastgeschenke in den Kofferraum und fahren gegen Mittag los. Ziel ist der Päijänne-See. Allein die Fahrt dorthin durch die Wälder ist ein Erlebnis. Schmale Brücken verbinden kleine Inseln, eine unglaubliche Landschaft.
Hermann sagt: »Ob du noch auf einer Brücke oder schon auf einer Insel bist oder ob das schon wieder festes Land ist, das weißt du hier ja nie.«
Wir sehen wieder Landwirtschaft auf beiden Straßenseiten. Korn steht. Kühe weiden.
Aber was für Kühe! »Watt is datt denn?«, entfährt es Hermann.
Gewaltige,
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