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Finne dich selbst!

Finne dich selbst!

Titel: Finne dich selbst! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Gieseking
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pralle Euter schleifen beinah über die Wiesen, und man hat diesen Kühen tatsächlich »Euterhalter«, eine Art »Kuh- BH « mit langen Gurten um den mächtigen Körper geschnallt. Das sei auch ein Schutz gegen Bremsen und Mücken für die empfindlichen Zitzen, erfahren wir später. Auf anderen Feldern stehen Vögel. Große Vögel. »Kraniche«, erklärt Axel. Ich riskiere einen Seitenblick.
    »
Kurki!
«
    »Watt? Gurken?«
    »
Kurki
. So heißen sie auf Finnisch.«
    Hermann staunt: »Donnerwetter! Was du alles weißt! Dann klappt das ja nachher vielleicht doch mit dem Übersetzen.«
    Wir machen Pause an einem Kiosk am See, und Axel und ich »ditschen«. Das ist ostwestfälisch. Wir werfen kleine flache Steine ganz flach ins Wasser und lassen sie über die Oberfläche springen. Früher nannten wir das »Uhren werfen«. Ich schaffe viermal Aufspringen. Axel gewinnt mit sechs. Dann geht es weiter. An irgendeiner Bushaltestelle biegen wir rechts ab. Keine Hinweisschilder. Hier kennt man sich entweder aus, oder man kann in die Irre geführt werden wie die Reisenden in Karl Mays »Unter Geiern«, die mit falsch gesteckten Wegzeichen in den »Llano Estacado« geleitet wurden und verdursteten. Nur dass man in Finnland nicht verdursten kann. Es gibt einfach zu viele Seen. Aber man kann sich verirren auf Wegen und Straßen. Die, auf der wir fahren, ist nun nicht mehr asphaltiert.
    »Wo isses denn?«, frage ich.
    »Dauert noch«, sagt Axel.
    Von hier sind es noch locker fünf Kilometer bis zum
mökki
. Baumumstanden führt der Weg in engen Kurven an zwei, drei einsamen Gehöften vorbei. Eine Wegkreuzung. »Wieder links«, sagt Axel.
    Plötzlich ein Bild wie aus einem Astrid-Lindgren-Roman: Zwei Mädchen sitzen auf einem Pferd und reiten durch das Gras, das dem Tier bis zum Bauch reicht. Sie winken. Wir winken zurück. Vier Giesekings winken zwei finnischen Pippi Langstrumpfs. Friedliches, romantisches Finnland.
    An der nächsten Weggabelung noch einmal rechts. Axel erzählt, dass Viivi und er diesen Weg an Heiligabend immer zu Fuß gehen, durch Schnee und Eis. »Dän ganzen Wech?« Ilse vergisst in ihrem Erstaunen, dass sie mit ihrem Jüngsten normalerweise kein Platt redet. Viivis schicker blauer Käfer ist absolut kein Winterfahrzeug. Daher nehmen sie im Winter den Bus bis zur Haltestelle auf der Hauptstraße, wandern bis zum
mökki
und gehen Tage später denselben Weg zum Bushäuschen zurück.
    »Den Bus darfst du aber nicht verpassen!«, gibt Hermann sachkundig zu bedenken.
    Axel grinst: »Nee, dann hast du verloren. Schlechte Karten! Das dauert, bis der nächste kommt!« Er erzählt weiter, dass es, bis sie Heiligabend herkommen können, meistens schon Nachmittag ist, also bereits dunkel.
    »Da lauft ihr durch den dunklen Wald? Das wär aber nichts für mich!«, kommt es von Ilse.
    Am
mökki
sei es dann wunderschön, der See im Winter, das einsame Haus, erst noch kalt, dann aber schnell vom offenen Feuer erwärmt. Und dann unternehmen sie Spaziergänge durch den Wald und auf dem zugefrorenen See. Sogar Luchsspuren hat Axel dabei schon entdeckt.
    »Ja klar. Ein Luchs!«, sagt Ilse ironisch.
    »Es gibt hier welche.«
    »Bernd will ja auch schon einen Elch gesehen haben.«
    »Hier gibt es auch Elche. Da vorne ist eine Quelle, und es gibt hier einen Wildwechsel, auf dem die laufen. Matti hat schon welche gesehen.«
    »Was ihr alles so seht! Luchse und Elche! Nur mir stellen die sich nie vor. Das ist doch auch komisch.«
    »De Elk hätt sicher Angst vo die!«, sagt Hermann.
    Axel stöhnt. »Nicht streiten. Vor allem nicht gleich vor Matti und Kati.«
    Ilse, völlig verständnislos: »Wer streitet denn hier?«
    »Da, ein Ameisenhaufen«, zeigt Axel.
    Wir stoppen. An meinem Bruder und mir sind Biologen verlorengegangen. Axel pirscht im Winter über finnische Seen und folgt Tierfährten und Vielfraß-Spuren. Im Sommer wird er auch »der Libellenflüsterer« genannt, weil immer wieder welche auf ihm landen. Alles, was kreucht und fleucht, begeistert uns. Der kleinste Waldweg ist uns eine Serengeti. Wenn wir einen Ameisenhaufen sehen, müssen wir nicht mehr auf eine Elefantenherde stoßen, um zu staunen. Wir sind auch so fasziniert. »Da kommen noch mehr. Direkt am Weg«, sagt er.
    Wir fahren weiter. Minuten später blitzt vor uns ein Dach auf, dann sehen wir mehrere kleine Gebäude. »Da?« Axel schüttelt den Kopf. Das Haus gehört dem Nachbarn. Ich fahre vorbei am nächsten riesenhaften Ameisenhaufen. Nur zwei Reifenspuren

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